Das Infrastruktursystem Energie
Der Energiesektor ist von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Gebraucht wird Energie für sämtliche technischen Prozesse und Anwendungen – beispielsweise zur Beleuchtung, für den Betrieb von Informations- und Kommunikationstechnik, zur Erzeugung von Kälte und Wärme, für den Betrieb von Industrieanlagen sowie für Verkehr und Logistik. Das politisch festgelegte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 prägt zusammen mit der Sicherstellung der Energieversorgung das Infrastruktursystem derzeit maßgeblich. Bis 2045 sollen erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie und nachwachsende Rohstoffe vorrangig genutzt und der Energiebedarf durch sparsame und effiziente Nutzung reduziert werden. Die Bundesregierung hat sich zudem vorgenommen, bis 2030 in Deutschland mindestens
50 % der Wärme klimaneutral zu erzeugen, bis 2045 nahezu vollständig erneuerbar zu heizen und den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 % zu steigern.
Um die klima- und energiepolitischen Ziele zu erreichen, wurde von der Bundesregierung beschlossen, den Ausstieg aus der Kohle vorzuziehen. Die Unabhängigkeit von fossilen Energien soll durch einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien (vor allem Solar- und Windkraft), den dafür erforderlichen Netzausbau, Elektrifizierung und Sektorkopplung erreicht werden. Wasserstoff soll außerdem als Energieträger und industrieller Rohstoff für die Energiewirtschaft und zur Dekarbonisierung von Industrie, Luftfahrt und Schifffahrt eingesetzt werden. Parallel dazu werden über die CO2-Bepreisung im europäischen Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz die Preise für fossile Energien systematisch erhöht [1].
Das Infrastruktursystem ist komplex und befindet sich nicht zuletzt aufgrund der Transformationsbestrebungen in einer kontinuierlichen Veränderungsdynamik. Dies betrifft sowohl die beteiligten Akteure als auch die Wertschöpfungsstrukturen.
Zu den vorgelagerten Prozessen gehört die Produktion von Anlagen und Infrastrukturkomponenten, die für die Gewinnung von Primärenergie, für die Umwandlung und Speicherung von Energie sowie ihre Verteilung und ihren Verbrauch notwendig sind. Dafür zuständig sind spezialisierte Unternehmen z.B. der Öl- und Gas-, Solar- oder Windenergieindustrie. Zu den vielfältigen Energiequellen gehören Primärenergien wie Gas, Erdöl, Braun- und Steinkohle oder Uran, die aus dem Boden gewonnen und in der Regel vor der Nutzung aufgearbeitet werden. Abgesehen von den meisten erneuerbaren Energieträgern (Solar-, Wind-, Wasserkraft), die ebenfalls zur Primärenergie zählen, ist Deutschland bei den meisten Primärenergieträgern (bis auf Braunkohle) auf Importe aus dem außereuropäischen Ausland und damit funktionierende globale Lieferketten angewiesen.
Primärenergie wird (in der Regel) in Sekundärenergie umgewandelt, damit sie in besser nutzbarer Form – sprich als Brenn- oder Kraftstoff, Wärme oder Elektrizität – vorliegt. Die Art der Umwandlung und Aufbereitung unterscheidet sich bei den verschiedenen Energiequellen, erfordert teils großtechnische Anlagen (u. a. Raffinerien, Kraftwerke) und ist in der Regel mit mehr oder weniger großen Umweltbelastungen (z. B. Stickoxid- und Treibhausgasemissionen) und Umwandlungsverlusten verbunden. Zunehmend werden fossile Energien durch erneuerbare Energien (z.B. Solar- und Windkraft) ersetzt, deren Gewinnung ebenfalls technische Anlagen erfordert, aber keine Treibhausgase verursacht.
Sowohl Brenn- oder Kraftstoffe als auch elektrische Energie, die nicht sofort verbraucht werden, müssen für eine spätere Nutzung zwischengespeichert werden. Energiespeicher werden im Zuge der Umstellung auf nichtfossile Energieträger für ein funktionierendes Energiesystem immer wichtiger. Grund dafür ist, dass das Angebot an Wind und Sonne als erneuerbare Energiequellen in Abhängigkeit von meteorologischen Zuständen über den Tag und das Jahr stark fluktuiert und die erneuerbar erzeugte Energie deshalb zum Teil für eine spätere Nutzung zwischengespeichert werden muss. Infrage kommen dafür die elektrische Speicherung in Form von mobilen und stationären Batterien, Pumpspeicherkraftwerke, aber auch elektrochemische Speicher (z. B. Wasserstoff) und thermische Speicher (z.B. saisonale Wärmespeicher). Die Speicherlösungen setzen wiederum den Aufbau eigener Infrastrukturen bzw. Anlagen voraus (z. B. Batterieproduktion, Elektrolyseure, Nahwärmenetze).
Die verschiedenen stofflichen Energieträger sowie elektrische Energie und Wärme müssen schließlich transportiert und an die Verbraucher/innen verteilt werden. In diesen Schritt sind verschiedene Akteure involviert, darunter Stromerzeuger und Energieversorger sowie Netzbetreiber, aber auch Mineralölkonzerne. Erforderlich sind entweder ausdifferenzierte logistische Prozesse, um zum Beispiel die verschiedenen Treibstoffarten entlang der Lieferkette (Raffinerie, Zwischenlager) zu den Verkaufsstellen zu transportieren, oder es werden spezielle Netze genutzt (z. B. für die Übertragung/Verteilung von Strom, Gas oder Fern- und Nahwärme). Insbesondere für das Stromnetz ergeben sich im Zuge der Verlagerung von Standorten der Stromherstellung und der Notwendigkeit, künftig Strom bidirektional zu transportieren, größere Aus- und Umbaubedarfe. Auch für neue Energieträger wie Wasserstoff müssen geeignete Speicher- und Netzinfrastrukturen aufgebaut bzw. vorhandene Erdgasinfrastrukturen angepasst werden.
Der Endenergieverbrauch wird oft nach den Sektoren Industrie, Verkehr, private Haushalte und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen unterschieden. Während der Verbrauch von Industrie und Verkehr über das Jahr vergleichsweise stabil bleibt, sind die Verbräuche von privaten Haushalten sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen stark von der Witterung abhängig, denn Raumwärme macht dort zwischen 50 % und 70 % des gesamten Endenergieverbrauchs aus [2].
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschut (2023): Wohlstand klimaneutral erneuern. Werkstattbericht des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), www.bmwk.de
- Umweltbundesamt (2024): Endenergieverbrauch nach Energieträgern und Sektoren. www.umweltbundesamt.de