Alternative Antriebe
Für eine klimaneutrale Gestaltung des Verkehrs ist vor allem eine Umstellung der mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeuge auf alternative Antriebe unabdingbar. Die Politik hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Verkehr zu dekarbonisieren. Auf EU- und Bundesebene sind dies klimapolitische Instrumente wie z.B. der Emissionshandel, der ab 2027 auch auf den Verkehr ausgeweitet werden soll, sowie eine CO2-Steuer auf fossile Kraftstoffe.
Da das Schienennetz bereits überwiegend elektrifiziert ist (61% des Streckennetzes und 90% der Verkehrsleistung auf der Schiene [1]), betrifft die Umstellung auf alternative Antriebe primär den Auto- (Pkw und Lkw), Schiffs- und Flugverkehr. Im Pkw-Bereich sind seit Jahren starke politische Bemühungen zur Förderung der Elektromobilität zu beobachten. Neben der stetigen Verschärfung der Flottengrenzwerte für Pkw und Lkw auf EU-Ebene umfassen die Förderaktivitäten vor allem den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit ausreichender Kapazität und in ausreichender Dichte (die langjährigen Kaufprämien für E-Autos wurden 2024 eingestellt). Die Zahl der öffentlichen Ladestationen nahm von 2017 bis 2023 von rund 9.000 auf über 90.000 zu, wie eine interaktive Abbildung der Bundesregierung zeigt. Daneben werden auch innovative Ladekonzepte wie beispielsweise induktives oder automatisiertes Laden erforscht. Seit 2019 ist ein deutlicher Anstieg bei der Anzahl der zugelassenen reinen Elektroautos in Deutschland festzustellen: Von 2022 bis 2023 hat sich deren Zahl von rund 600.000 auf über 1,3 Mio. mehr als verdoppelt [2]. Für 2024 wird jedoch mit einem Einbruch bei den Neuzulassungen gerechnet. Ihr Anteil am Pkw-Bestand liegt in Deutschland mit rund 2,1 % aber immer noch in einem sehr niedrigen Bereich [3]. Die deutsche Automobilindustrie, die bei den Verbrennerautos weltweit führend ist, ist durch die Umstellung auf E-Auto-Produktion aktuell einem starken Strukturwandel unterworfen und steht unter großem Konkurrenzdruck vor allem durch chinesische E-Auto-Hersteller, die zunehmend auf den deutschen Markt drängen. 2023 war China erstmals der größte Autoexporteur der Welt, was zum Teil auf den steigenden Absatz von Elektroautos zurückzuführen ist [4].
Auf kommunaler Ebene findet zudem eine Förderung nachhaltiger Mobilitätsformen statt. Diese Bemühungen werden gesellschaftspolitisch kontrovers diskutiert, u.a. weil damit eine wachsende Konkurrenz um Flächennutzung vor allem in dichter besiedelten Gebieten verbunden ist. Insgesamt steigt in Ballungsräumen die Vielfalt an Mobilitätsoptionen und es ist eine zunehmende Nachfrage nach nachhaltigen Mobilitätsangeboten bei urbanen Bevölkerungsgruppen zu beobachten. Diese äußert sich beispielsweise in einem weit überproportionalen Anstieg der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege und km [5], ein Trend, der v.a. in den in den großen Städten feststellbar ist und durch die zunehmende Reichweite von Pedelecs und E-Bikes zukünftig weiter unterstützt werden könnte.
Im Luft- und Schiffsverkehr sowie auch im Schwerlastverkehr ist die Umstellung auf alternative Antriebe weniger weit vorangeschritten als im Pkw-Bereich. Von den 3,94 Mio. in Deutschland zugelassenen Nutzfahrzeugen (Lkw und Sattelzugmaschinen) verfügen beispielsweise bislang 1,73 % über eine alternative Antriebsart [6]. Dies hat hauptsächlich damit zu tun, dass batterieelektrische Antriebe bislang für den Langstreckenbetrieb schwerer Fahrzeuge wenig geeignet sind. Abhilfe versprechen möglicherweise neue Batteriekonzepte, die derzeit entwickelt werden. Daneben werden neue Antriebskonzepte auf Basis klimaneutraler Kraftstoffe benötigt, die entweder aus Biomasse (B-Fuels) oder grünem Wasserstoff (E-Fuels) gewonnen werden. Ein Beispiel sind Wasserstoff-Lkw. Zu beobachten ist verkehrsträgerübergreifend eine verstärkte Entwicklung entsprechender Motoren- und Fahrzeugkonzepte, die jedoch meist erst als Prototypen verfügbar sind. Im Schifffahrtsbereich, der als besonders schwierig zu dekarbonisieren gilt, dominiert bei den alternativen Antrieben derzeit das zwar emissionsärmere, aber nach wie vor fossile Flüssigerdgas (LNG) (Datengrafik). Elektrische Antriebe dürften zukünftig vor allem in der Binnenschifffahrt Verbreitung finden. Um den Treibstoffbedarf von Hochseeschiffen zu senken, werden u.a. Windzusatzantriebe erforscht.
Die erforderliche Infrastruktur für Herstellung, Transport und Speicherung von Wasserstoff, der als Grundstoff für die Produktion von E-Fuels sowohl für die Dekarbonisierung der Luft- wie Schiffsverkehrs benötigt wird, steckt noch in den Kinderschuhen, wird jedoch mithilfe starker politischer Förderung sukzessive ausgebaut. Für die Herstellung von E-Fuels, für die neben Wasserstoff auch nachhaltig gewonnenes CO2 benötigt wird (z.B. über Direct Air Capture), wurden erste Pilotanlagen gebaut.
Der weitere Ausbau der Ladeinfrastrukturen trägt laut Einschätzung der befragten Expert/innen maßgeblich zu einer erhöhten Resilienz des Infrastruktursystems bei (Abb. 10a/b). Die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrssystems führt aber auch zu einem stark steigenden Bedarf an erneuerbarer Energie und grünem Wasserstoff, was aufgrund der starken Sektorkonkurrenz zukünftig zu Knappheiten führen könnte. Zudem muss das Stromnetz an die erhöhten Anforderungen, die durch gleichzeitiges Laden vieler Elektroautos entstehen, angepasst werden – hier können digitale Lösungen und neue Ladekonzepte helfen. Mit dem Markthochlauf der Elektromobilität steigt außerdem der Bedarf an kritischen Rohstoffen und Schlüsselkomponenten wie Batterien und Halbleitern, deren Produktion von ausländischen Herstellern dominiert wird. Erwartet wird beispielsweise, dass der Markt für Lithium-Ionen-Batterien bis 2030 jährlich um 30 % zunimmt [7]. Diese Trends erhöhen zusammen mit den zunehmenden geoökonomischen Konflikten und Handelsrestriktionen, so die relativ einhellige Meinung der befragten Expert/innen, die Vulnerabilität des Infrastruktursystems maßgeblich (Datengrafik). Auch der zunehmende Fachkräftemangel, der sich als Entwicklungshemmnis bei der Umstellung auf Elektromobilität erweisen könnte, wird als relevanter Vulnerabilitätsfaktor eingeschätzt. Alleine in der Automobil- und Zulieferindustrie Baden-Württembergs mit ihren aktuell rund 250.000 Beschäftigten könnten laut Prognosen bis 2030 40.000 Fachkräfte fehlen [8].
Die Batterie ist das teuerste Bauteil eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs. Seit den 1990er Jahren haben sich Lithium-Ionen-Batterien durchgesetzt und eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren. Sie bieten heute relativ hohe masse- und volumenbezogene Energiedichten und ermöglichen dadurch den Bau von Fahrzeugen mit Reichweiten von mehreren hundert km. Zudem weisen sie im Vergleich mit anderen Batteriesystemen eine eher lange Lebensdauer auf (bis zu 10 Jahre), haben aber auch Nachteile: etwa die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen wie Lithium, Nickel und Kobalt, die hauptsächlich aus dem Ausland importiert werden müssen, sowie die Brandgefahr. Weltweit forscht die Autoindustrie daher intensiv an alternativen Batteriekonzepten, mit denen sich eine noch höhere Energiedichte (und damit längere Reichweiten) erreichen und der Einsatz kritischer und teurer Materialien reduzieren lassen. Zu den vielversprechenden Alternativen gehören Feststoffbatterien, bei denen der flüssige Elektrolyt durch eine Feststoffalternative (Polymere, Keramiken oder hybrid) ersetzt wird [9]. Feststoffbatterien basieren zwar auch auf Lithium, versprechen aber eine höhere Sicherheit und deutlich höhere Reichweiten [10]. Der japanische Autohersteller Toyota hat angekündigt, in einigen Jahren ein Elektroauto auf den Markt zu bringen, das über eine Reichweite von bis zu 1.000 km verfügen soll [11]. Daneben wird an Post-Lithium-Systemen geforscht, bei denen Lithium durch billigere und häufiger vorkommende Materialien ersetzt wird [12]. Hier stehen insbesondere Natrium-Ionen-Batterien im Fokus – verschiedene chinesische Autohersteller haben eine Markteinführung angekündigt [12].
Über den Schiffsverkehr wird ein Großteil des weltweiten Handels abgewickelt (rund 90% der Verkehrsleistung im globalen Güterverkehr). Dabei kommt nach wie vor hauptsächlich das umwelt- und klimaschädliche Schweröl zum Einsatz. Laut neuen Zielen der internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) sollen die Treibhausgasemissionen der internationalen Schifffahrt bis 2050 netto-null erreichen [13]. Die Umstellung des Schiffsverkehrs auf wasserstoffbasierte Kraftstoffe benötigt enorme Mengen an erneuerbarer Energie, den Aufbau einer Bunkerinfrastruktur in den Häfen sowie die Entwicklung neuer Motorenkonzepte. Deshalb wird auch intensiv daran geforscht, wie sich die Energieeffizienz von Schiffen verbessern lässt. Neben einer optimierten Routenplanung sowie einem optimierten Schiffsdesign gehören zu den Optionen auch alternative Antriebslösungen. Insbesondere Segelantriebe versprechen hier große Einsparpotenziale. Sie kommen sowohl als Haupt- als auch als Nebenantriebe infrage. Als Windnebenantriebe werden Zugdrachen, feste Segel oder Tragflügel sowie Flettnerrotoren (feste, rotierende Zylinder) eingesetzt; mit letzteren lassen sich im Idealfall bis zu 30% des Energieverbrauchs einsparen [14]. Die Technologien sind schon seit längerem am Markt verfügbar, ihre Implementierung ist jedoch schwierig, da in der Regel auch Anpassungen am Schiffsdesign erforderlich sind. Mitte 2023 wurden – von rund 90.000 Schiffen weltweit (ohne Fischereischiffe) – 30 Schiffe mit Windzusatzantrieben ausgerüstet, bei weiteren 26 ist das in Planung [14]. Maximale Energieeinsparungen versprechen Windhauptantriebe. Ihr Einsatz kommt jedoch nur für Schiffstypen wie z.B. Massengutfrachter oder Tanker infrage, die keine freie Decksfläche für den Ladeumschlag benötigen. Außerdem ist eine völlige Neukonzeption der Schiffe erforderlich, weshalb die Entwicklung noch in einem sehr frühen Stadium steckt.
Lkw im Kurzstreckenbetrieb, kleinere Lieferfahrzeuge und auch Busse, die im Stadtverkehr zum Einsatz kommen, lassen sich gut mittels Batterieantrieb elektrifizieren. Für den Langstreckenbetrieb von Lkw sind Batterien aufgrund begrenzter Reichweiten und langen Ladezeiten hingegen weniger geeignet. Eine Alternative ist der Antrieb mittels Wasserstoffbrennstoffzelle. Dabei wird Wasserstoff, der in einem Hochdrucktank komprimiert mitgeführt wird, zusammen mit Sauerstoff emissionsfrei zu Wasser verstromt. Der Wirkungsgrad ist zwar geringer als bei einer Batterie, jedoch ist die Reichweite einer Tankladung deutlich höher (800 bis 1.000 km) und die Betankung geht deutlich schneller [15]. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen zu dieser Technologie ist seit 2020 exponentiell gestiegen [16]. Als erster Hersteller hat Hyundai 2020 einen Wasserstoff-Lkw in Serie gefertigt, der seit 2022 auch in Deutschland verfügbar ist [17]. Auch deutsche Hersteller (BMW, Daimler Truck) sowie die Firma Bosch, die bei der Entwicklung von Wasserstoffbrennstoffzellen führend ist, arbeiten intensiv an der Serienreife der Wasserstofftechnologie [18][19]. Hemmende Faktoren sind die derzeit noch eher ungünstigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen: So ist die ausreichende Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff (zu einem konkurrenzfähigen Preis) nicht sichergestellt und auch die Wasserstoffladeinfrastruktur muss erst noch aufgebaut werden [20].
- Allianz pro Schiene (2023): Elektrifizierung. 13.7.2023, www.allianz-pro-schiene.de/ (24.10.2023)
- Kraftfahrt-Bundesamt (2023): Anzahl der Elektroautos in Deutschland von 2006 bis Oktober 2023. Statista, de.statista.com/ (24.10.2023)
- Kraftfahrt-Bundesamt (2023): Anteil der Elektroautos am Bestand der Personenkraftwagen in Deutschland von 2013 bis 2023. Statista, de.statista.com/ (1.3.2024)
- The Economist (2024): Western firms are quaking as China’s electric-car industry speeds up. 11.1.2024, www.economist.com/ (18.1.2024)
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019): Mobilität in Deutschland – MiD. Analysen zum Radverkehr und Fußverkehr. www.mobilitaet-in-deutschland.de/ (18.1.2024)
- Deutscher Bundestag (2024): Förderprogramme für die Umstellung von LKWs und Bussen auf klimafreundliche Antriebe, dserver.bundestag.de/ (18.1.2024)
- Roland Berger (2022): Steigende Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien kann zu Engpässen in der Rohstoffversorgung führen. 6.4.2022, www.presseportal.de/ (18.1.2024)
- Bertelsmann Stiftung (2023): Berufliche Übergangspfade in der Automobil- und Zulieferindustrie in Baden-Württemberg. Zusammenfassung, www.bertelsmann-stiftung.de/
- The Economist (2023): Superbatteries will transform the performance of EVs. 23.8.2023, www.economist.com/
- Volkswagen Group (2024): PowerCo bestätigt Ergebnisse: Feststoffzelle von QuantumScape besteht ersten Härtetest. 3.1.2024, www.volkswagen-group.com/ (1.3.2024)
- Jones, N. (2024): The new car batteries that could power the electric vehicle revolution. In: Nature 626(7998), S. 248–251, DOI: 10.1038/d41586-024-00325-z
- Baumann, M.; Weil, M. (2023): Batteriesysteme der Zukunft. Foresight und Technikfolgenabschätzung: Monitoring von Zukunftsthemen für das Österreichische Parlament, parlament.gv.at/
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023c): Internationale Seeschiffahrts-Organisation (IMO) beschließt Klimaneutralität bis 2050. BMWI, 7.7.2023, www.bmwk.de/ (1.3.2024)
- European Maritime Safety Agency (2023): Potential of Wind-Assisted Propulsion for Shipping, www.emsa.europa.eu/
- Böhnisch, A. (2023): Wasserstoff-Antrieb für LKW: Ist das die Zukunft der Brennstoffzelle? 13.9.2023, www.swr.de/
- Camacho, M. d. l. N.; Jurburg, D.; Tanco, M. (2022): Hydrogen fuel cell heavy-duty trucks: Review of main research topics. In: International Journal of Hydrogen Energy 47(68), S. 29505–29525, DOI: 10.1016/j.ijhydene.2022.06.271
- Hyundai (2022): Hyundai bringt Wasserstoff-Lkw XCIENT Fuel Cell nach Deutschland. 2.8.2022, www.hyundai.news/
- BMW Group (2022): Forschungsprojekt HyCET: Konsortium treibt die Nachhaltigkeit in der Transportlogistik durch Wasserstoff-LKW weiter voran. www.press.bmwgroup.com/
- Wilkens, A. (2023): Wasserstoff: Daimler-Truck GenH2 fährt 1000 km mit einer Tankfüllung. 27.9.2023, www.heise.de/
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Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de