Fokusthemen
Für eine vertiefende Untersuchung im Resilienz-Check schlagen wir drei Fokusthemen für das Infrastruktursystem Landwirtschaft und Ernährung vor. Diese basieren auf der Analyse der Trends und der systemischen Risiken im Zuge des Resilienz-Radars, einschließlich der Auswertung der verschiedenen Expertenbefragungen. Die vorgeschlagenen Fokusthemen sind eng mit den identifizierten Trendclustern und der Transformation des Infrastruktursystems verbunden und besitzen eine hohe Relevanz für transformative Resilienzstrategien. In methodischer Hinsicht eignen sich die spezifischen Themenzuschnitte sowohl für die geplante Partizipation im Resilienz-Check als auch für die Entwicklung von Zukunftsszenarien.
Fokusthema 1: New-Food-Systeme – Pflanzenproduktion und zellkulturbasierte Herstellung tierischer Lebensmittel
Wie im Trendcluster Flächennutzungskonkurrenzen bereits beschrieben, werden neben der klassischen Landwirtschaft, die mit einem relativ hohen Ressourcenverbrauch verbunden ist, zunehmend alternative Agrarsysteme, auch als New-Food-Systeme bekannt, entwickelt und erforscht. Diese Systeme sind darauf ausgelegt, Nahrungsmittel mit einem deutlich geringeren Einsatz an natürlichen Ressourcen zu produzieren. Ein zentrales Ziel besteht darin, die Dekarbonisierung der Lebensmittelproduktion und damit die Transformation des Infrastruktursystems Landwirtschaft und Ernährung voranzutreiben und die Versorgungssicherheit mit den natürlichen Grenzen in Einklang zu bringen. Für die Szenarioentwicklung werden als fachliche Schwerpunkte erstens das Thema vertikale Landwirtschaft (Vertical Farming) zur Erzeugung von Gemüse (und langfristig von Weizen), zweitens die Präzisionsfermentation (Precision Fermentation) zur mikrobiologisch maßgeschneiderten Produktion von Milchprodukten sowie drittens die Herstellung von In-vitro-Fleisch (Cultured Meat) fokussiert. Diese Innovationen haben zum Ziel, möglichst flächensparsam mit neuartigen Systemen Nahrungsmittel jenseits der klassischen Landwirtschaft zu erzeugen. Fortschritte in der Bio- und Gentechnologie, der Lebensmitteltechnologie und der KI eröffnen das Potenzial, die Produktion, die Verarbeitung und den Konsum von Lebensmitteln grundlegend zu verändern. Vertikale Indoorfarmen mit bodenlosen Systemen zur Erzeugung von Gemüse sind zwar unabhängig von äußeren Umwelteinflüssen, können aber auch neue Unsicherheiten für die Versorgungssicherheit mit sich bringen. So sind geschlossene Systeme zur Pflanzenproduktion durch einen hohen Energieverbrauch, aufwändige Hygienemaßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung von pflanzlichen Krankheitserregern sowie eine hohe Anfälligkeit gegenüber technischen Störungen gekennzeichnet.
Fokusthema 2: digitale Landwirtschaft
Digitale Technologien können einen wesentlichen Beitrag zur Transformation des Landwirtschafts- und Ernährungssystem leisten und finden zunehmend Eingang in die Lebensmittelproduktion. Wie im Trendcluster Digitalisierung der Landwirtschaft, Logistik und Handel beschrieben, ist die Entwicklungsdynamik insbesondere in den Technologiebereichen Sensorik, Robotik und KI hoch. Für die fachliche Schwerpunktsetzung bei der Szenarioentwicklung werden autonome Feldroboter und Roboterschwärme vorgeschlagen. Roboterplattformen ermöglichen den flexiblen und intelligenten Einsatz verschiedener Werkzeuge, insbesondere für eine schonende Bodenbearbeitung. Ökologisch vorteilhaft ist die geringe Bodenverdichtung, insbesondere durch neue Möglichkeiten einer sehr präzisen, zukünftig möglicherweise sogar auf die Einzelpflanze ausgerichteten Produktionsgestaltung. Von autonomen Feldrobotern würde auch der ökologische Landbau profitieren, da hier weder chemisch-synthetische Pflanzenschutz- noch Düngemittel eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass mithilfe autonomer Kleintechnik Ansätze des ökologischen Landbaus (mechanische Unkrautbekämpfung, Fruchtfolgegestaltung) auf den konventionellen Landbau übertragen werden könnten.
Fokusthema 3: Wassermanagement in der Landwirtschaft
Eine stabile Wasserversorgung ist für die Transformation des Infrastruktursystems Landwirtschaft und Ernährung vor dem Hintergrund zunehmender Hitze- und Trockenperioden essenziell. Der steigende Wasserbedarf erhöht das Risiko der Wasserknappheit in Deutschland und stellt das Landwirtschafts- und Ernährungssystem vor neue Herausforderungen. Wie im Trendcluster Ökologische Produktionsgrundlagen beschrieben, können technologische Entwicklungen wie Luftfeuchtigkeitsabsorption, aber auch angepasste ackerbauliche Maßnahmen und ein (kommunales) nachhaltiges Wassermanagement der Wasserverknappung sowie der Zunahme von Wassernutzungskonflikten entgegenwirken. Für die Szenarioentwicklung werden aussichtsreiche Verfahren des Wassermanagements fokussiert, dabei explizit auch geschlossene Produktions- und Bewässerungssysteme. Durch effizientere Bewässerungsmethoden wie Tröpfchenbewässerung, Aquaponik und Wasserrückhalt kann der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft reduziert werden. In geschlossenen Systemen ist der Verbrauch von Wasser, das aus der Umwelt entnommen wird, durch eine interne Wasseraufbereitung und Wiederverwendung relativ gering. Der Wasserbedarf solcher Systeme könnte in einigen Regionen in Deutschland aus aufbereitetem Abwasser gedeckt werden, sofern zukünftige gesetzliche Vorgaben dies erlauben. Beide Ansätze machen die Landwirtschaft grundsätzlich wetterunabhängiger und damit auch resilienter.
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de