Überblick über aktuelle Trends
Geoökonomische Konflikte und ein Bestreben nach Energieautarkie haben in den letzten Jahren das Infrastruktursystem Energie geprägt. Darüber hinaus werden Netze und Verbräuche zunehmend digital gesteuert. Die Dekarbonisierung des Energiesystems und der Ausbau von Power-to-X-Infrastrukturen werden aktiv vorangetrieben.
Seit der Annexion der Krim [1] im Jahr 2014 und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind geoökonomische Konflikte und Handelsbeschränkungen als Vulnerabilitätsfaktor für das Energiesystem stark in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines hat die Verletzlichkeit der Energieinfrastruktur besonders deutlich gemacht. Aber auch der globale Wettstreit um kritische Rohstoffe verschärft sich und die damit zusammenhängenden Risiken steigen, begünstigt durch strukturelle Faktoren wie eine hohe Importabhängigkeit bei kritischen Rohstoffen und begrenzte kurzfristige Substitutionsmöglichkeiten [2][3]. Geoökonomische Konflikte und Handelsbeschränkungen wurden von der überwiegenden Mehrheit der befragten Expert/innen (Datengrafik) als ein relevanter Verletzlichkeitsfaktor für das System und damit als Versorgungsrisiko eingeschätzt. Generell drohen sich geopolitische Konflikte umso stärker auf das Infrastruktursystem auszuwirken, je größer die Lieferkettenabhängigkeiten sind [1]. Entsprechend hat seit Beginn des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine das Bestreben nach Energieautarkie bzw. nach einem höheren Energieautarkiegrad und dabei insbesondere nach Unabhängigkeit von ausländischen Lieferanten beim Import fossiler Energieträger politisch und gesellschaftlich stark an Bedeutung gewonnen [4][5].
Im Zuge des voranschreitenden Klimawandels ist seit einigen Jahren eine Zunahme von Wetterextremen festzustellen, die zu Schäden an der Energieinfrastruktur führen können. Infrastrukturen sind in der Regel nicht für extremes Wetter ausgelegt und unterliegen Investitionszyklen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte erstrecken. Dies trägt laut der Expertenbefragung (Datengrafik) zur steigenden Vulnerabilität des Infrastruktursystems bei.
- DIW (2020): Iran, Russland, Hongkong: Geopolitische Risiken belasten deutsche Wirtschaft. DIW Wochenbericht 6, www.diw.de/
- EC (2020b): Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken, eur-lex.europa.eu/
- IRENA (International Renewable Energy Agency) (2023): Geopolitics of the energy transition. Critical materials, www.irena.org/
- Dieter, H. (2021): Die neue Liebe zur Autarkie. Risiken für die deutsche und europäische Exportwirtschaft. SWP-Aktuell 2021/A 18, 23.02.2021, 8 Seiten. DOI: 10.18449/2021A18
- Grothmann, T.; Frick, V.; Harnisch, R.; Münsch, M.; Kettner, D. E.; Thorun,C. (2023): Umweltbewusstsein in Deutschland 2022. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Umweltbundesamt. www.umweltbundesamt.de/
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de