Automatisiertes und autonomes Fahren
Mit der fortschreitenden Digitalisierung nimmt auch die Automatisierung von Fahrzeugen zu. Beide Entwicklungen sind eng miteinander verzahnt, da die Ausstattung mit moderner digitaler Sensorik eine wichtige Voraussetzung für Automatisierungslösungen ist. Bei praktisch allen Verkehrsträgern ist eine zunehmende Verbreitung hochautomatisierter und autonomer Fahrfunktionen zu beobachten.
Am weitesten fortgeschritten sind Automatisierungslösungen in Bereichen, in denen das Risiko unerwarteter Ereignisse und unübersichtlicher Situationen minimiert werden kann. Das ist beispielsweise bei Metrozügen und U-Bahnen der Fall. In 60 Städten weltweit fahren Züge inzwischen vollautomatisch (erstmalig 1983 in Frankreich), darunter seit 2008 auch in Nürnberg [1]. Erforderlich ist dafür eine Ausstattung der Strecken mit Kamera- und Radarsystemen sowie mit Rechnern. Auch bei der Steuerung von Großflugzeugen kommen bereits sehr weitreichende Automatisierungslösungen zum Einsatz, welche die Rolle des Piloten für die meiste Zeit des Flugs auf die Überwachung des Cockpits beschränken. Ein neuerer Trend sind autonome Flugtaxis, die u.a. im städtischen Bereich zum Einsatz kommen sollen. Seit einigen Jahren arbeiten Startups an entsprechenden Entwicklungen, gehofft wird auf einen boomenden Markt [2]. In China wurde 2023 erstmalig eine Musterzulassung für ein autonomes Flugtaxi erteilt. In Deutschland stehen dem Betrieb aber noch rechtliche Hürden entgegen. Zudem ist offen, für welche Anwendungsfälle Flugtaxis in Deutschland geeignet sind.
Schwieriger ist eine Automatisierung der Fahrfunktionen dort umzusetzen, wo es zu vielen gefährlichen oder unvorhergesehenen Situationen kommen kann. Bei Zügen, Schiffen und Autos ist die technologische Entwicklung selbstfahrender Systeme schon weit fortgeschritten und Prototypen werden auf Teststrecken bereits eingesetzt [3][4][5]. Weltweit erstmalig haben Mercedes und BMW ein hochautomatisiertes Assistenzsystem auf Level-3-Ebene (Fahraufgabe wird unter bestimmten Voraussetzungen vollständig an das Fahrzeug delegiert) in Serienreife vorgelegt und dafür auch bereits die Zulassung erhalten [6]. Mit dem neuen Gesetz zum autonomen Fahren wurden in Deutschland die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, damit Pkw und Lkw in festgelegten Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können [7].
Auch im Öffentlichen Personennahverkehr wächst das Interesse von Unternehmen und Verkehrsverbünden am autonomen Fahren. Die Hoffnung ist, den ÖPNV mithilfe autonomer, fahrerloser Mobilitätskonzepte um flexible und günstige Angebote erweitern und damit die Mobilitätswende voranbringen zu können [8]. Zudem soll Automatisierung helfen, dem inzwischen spürbaren Mangel bei Fahrzeugführer/innen entgegen zu wirken [9]. Sowohl international als auch in Deutschland finden im öffentlichen Verkehr zahlreiche Projekte und Erprobungen des fahrerlosen Fahrens mittels autonomer Pendel- und Kleinbusse statt. Die Pläne sind in Hamburg weit fortgeschritten. Dort wurde das vom Bund unterstützte Modellprojekt ALIKE gestartet, in dem ab 2025 autonome, per App buchbare und von MOIA (einer VW-Tochter) betriebene Kleinbusse in einigen Stadtteilen getestet werden. Bis 2030 sollen laut den Plänen bis zu 10.000 autonome Shuttles in Hamburg unterwegs sein [10]. Weltweit finden Testbetriebe für autonomes Fahren in den Bereichen Carsharing (Robotaxis) und Ride Pooling statt [11]. Am weitesten ist San Francisco, wo zwei Robotaxi-Anbieter seit August 2023 Fahrgäste ohne einen Sicherheitsfahrer (aber fernüberwacht) befördern dürfen [12]. Das Vorhaben erlitt jedoch einen teilweisen Rückschlag, nachdem einem der Anbieter die Erlaubnis für den Betrieb der 950 Robotaxis wieder entzogen wurde. Dessen Fahrzeug war, allerdings nicht ursächlich, in einen Personenunfall verwickelt und hatte im Nachgang dazu nicht situationsangemessen agiert. Zudem wurde dem Betreiber vorgeworfen, nicht aktiv und transparent zur Aufklärung des Geschehens beigetragen zu haben.
Die Automatisierung bietet für den stark wachsenden Güter- und Lieferverkehr [13] vielversprechende Optionen, die Logistik effizienter und nachhaltiger sowie ggf. resilienter zu gestalten. Dies betrifft nicht nur die Prozesse im Warenlager und auf dem Werksgelände, wo Roboter und fahrerlose Transportsysteme zunehmend Einzug halten. Es werden auch neue Konzepte wie beispielsweise das Platooning oder vollautomatisierte Binnenschiffe erprobt. Schließlich ist auch eine Zunahme innovativer Logistiklösungen für die Letzte Meile (z.B. Micro-Hubs) zu beobachten, ein Trend, der auch die Entwicklung autonomer Lieferkonzepte auf dem Boden und in der Luft umfasst.
Als Platooning wird das Fahren in Kolonne bezeichnet, wobei zwischen den Fahrzeugen ein möglichst geringer Abstand besteht und das vorderste Fahrzeug Richtung und Geschwindigkeit vorgibt. Möglich wird diese Spielart des automatisierten Fahrens durch die informationstechnische Kopplung der Fahrzeuge. Platooning verspricht diverse Vorteile [14]: So kann Personal eingespart werden, da prinzipiell nur noch für das vorderste Fahrzeug ein Fahrer benötigt wird. Durch den reduzierten Luftwiderstand für die hinteren Fahrzeuge lassen sich außerdem Treibstoffverbrauch und -kosten reduzieren. Schließlich werden auch für den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit positive Effekte erwartet – das Fahren im Konvoi kann insbesondere dabei helfen, die Staugefahr zu reduzieren [15]. Getestet wurde Platooning vor allem bei Lkws und für Fahrten auf Autobahnen, aber auch für Binnenschiffe sowie Busse in Innenstädten gibt es aktuellere Projekte [16]. In welchem Umfang sich die beschriebenen Potenziale realisieren lassen, hängt von den konkreten Umständen ab und lässt sich nicht verlässlich verallgemeinern. Offen sind vor allem noch regulatorische Fragen hinsichtlich Datenschutz und Verkehrssicherheit sowie die Definition herstellerübergreifender Kommunikationsstandards [14]. Denn klar ist, dass sich die Vorteile des Platooning erst dann voll entfalten können, wenn sich auch Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller miteinander koppeln lassen. Zudem ist strittig, wie sich längere Platoons auf das dynamische Verkehrsgeschehen auf Autobahnen, insbesondere an Auffahrten und Knotenpunkten, auswirken.
Das starke Wachstum des Onlinehandels – der Warenumsatz hat sich in den letzten 10 Jahren rund verdoppelt, mit einem Höhenflug während der COVID-19-Pandemie [17] – hat zu einer starken Zunahme der Lieferverkehre geführt. Besonders die letzte Meile, also das letzte Teil der Lieferkette, bereitet in urbanen Bereichen zunehmend Probleme. Die kleinteilige Belieferung einer Vielzahl von Kund/innen durch Lieferfahrzeuge ist besonders kosten- und emissionsintensiv und trägt zu verstärkten Verkehrsproblemen bei. Die Logistikdienstleister stehen in der Folge unter einem starken Innovationsdruck, da auch die Erwartungen der Kund/innen an eine pünktliche sowie flexible Paketzustellung steigen [18]. Neben Lösungen wie Paketshops und Packstationen oder der Einrichtung von Micro-Hubs, die als Umschlagpunkte dienen, wird von Logistikunternehmen und Start-ups bereits seit Jahren auch an autonomen Lieferkonzepten für die letzte Meile gearbeitet. Weltweit sind in verschiedenen Projekten Paket- und Lieferdrohnen getestet worden, so auch in Deutschland: 2023 testete der Lebensmittelhändler Rewe im Hamburger Stadtteil Elmsbüttel für drei Monate die Lebensmittelzustellung mittels Lieferrobotern [19]. Ein erster vollautomatisierter Drohnenlinienflugbetrieb startete Anfang 2024 als Lieferservice für Unternehmen im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid, ein Pilotprojekt ist in Berlin geplant [20][21]. Wissenschaftliche Untersuchungen, die aber meist noch theoretischer Art sind, zeigen das Potenzial, mit autonomen Zustelloptionen Kosten und Umwelteffekte senken zu können [22]. Die vielen gescheiterten Projekte [23] verweisen aber auch auf die noch bestehenden Herausforderungen, die in regulatorischen Hürden sowie ungelösten Fragen hinsichtlich Paketübergabe bestehen.
- Kreipp, A.-S. (2023): Autonome Züge – Im ÖPNV fahrerlos sicher unterwegs. Fraunhofer IKS, 25.9.2023, safe-intelligence.fraunhofer.de/ (17.1.2024)
- The Economist (2023b): Flying taxis could soon be a booming business. 17.8.2023, www.economist.com/ (18.1.2024)
- Hagemann, A. (2022): Binnenschifffahrt der Zukunft: Automatisiert und emissionsfrei. 15.8.2022, www.dvz.de/ (13.11.2023)
- Klaus Peters (2021): Autonome Schiffe gegen den Lieferwahnsinn auf den Straßen. 23.4.2021, background.tagesspiegel.de/
- Kugoth, J. (2022): Autonome Züge: Schon 2023 auf der Schiene. Tagesspiegel Background, 21.10.2022, background.tagesspiegel.de/
- Greis, F. (2023): Level 3 im Stau: BMW erhält Zulassung für hochautomatisiertes Fahren – Golem.de. In: Golem.de 26.09.2023, www.golem.de/
- BMDV (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) (2021): Gesetz zum autonomen Fahren tritt in Kraft. bmdv.bund.de/ (18.1.2024)
- Yen, R.; Binder, N. B.; Pitzen, C.; Schippl, J. (2024): Automatisierter ÖPNV: Hintergründe und praktische Anleitung zur Umsetzung in kleineren Städten und ländlichen Regionen. Berlin, Heidelberg
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- MOIA (2023): MOIA bringt mit ALIKE autonomes Ridepooling auf die Straße. 19.11.2023, www.moia.io/ (18.1.2024)
- Berylls Strategy Advisors (2023): Anzahl der Testbetriebe für autonomes Fahren nach Regionen und weltweit im Jahr 2023. Statista, 4.1.2024, de.statista.com/ (8.2.2024)
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- Destatis (2023): Güterverkehr. 24.10.2023, www.destatis.de/ (24.10.2023)
- Universität Paderborn (2023): Platooning: Wie kooperativ fahrende Fahrzeug-Kolonnen den Verkehr sicherer und effizienter machen. 17.5.2023, diserhub.de/platooning/
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- KIT (Karlsruher Institut für Technologie) (2023): Automatisiertes Fahren in Kolonne: Schub für Flexibilisierung des Busverkehrs. 4.4.2023, www.kit.edu/
- Bevh (Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V.) (2024): E-Commerce-Umsatz mit Waren in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2023. Statista, de.statista.com/ (1.3.2024)
- PwC (PricewaterhouseCoopers) (2017): Aufbruch auf der letzten Meile. Neue Wege für die städtische Logistik, www.pwc.de/
- Wegner, A. (2023): Rollende »Warenkörbe« bringen’s in Hamburg. REWE startet autonom fahrendes Einkaufskonzept in der Hansestadt. 8.5.2023, mediacenter.rewe.de/
- Donath, A. (2023): Lieferdrohnen dürfen in Berlin außerhalb der Sicht fliegen. 14.12.2023, www.golem.de/
- Tagesspiegel Background (2024): Erster Linienflugbetrieb mit Drohnen aufgenommen. 22.2.2024, background.tagesspiegel.de/
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- Löwen, C. (2022): Vollautonome Lieferroboter. Lost auf der Last Mile? 16.12.2022, www.automotiveit.eu/
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de