Digitalisierung von Landwirtschaft, Logistik und Handel
Die Digitalisierung schreitet rasch voran, auch in Teilen des Infrastruktursystems, die lange unvernetzt funktioniert haben. Inzwischen sind digitale Lösungen von der Erzeugung von Lebensmitteln bis zum Verkauf in den Filialen des Einzelhandels allgegenwärtig. Feldrobotik und Technologien zur Nachverfolgbarkeit von Wertschöpfungs- und Lieferketten zählen zu den aufkommenden soziotechnischen Entwicklungen.
Digitaltechnologien verbreiten sich in der Landwirtschaft seit mehr als 20 Jahren und prägen zunehmend die Lebensmittelproduktion auf dem Acker und im Stall. Der Anteil der Landwirt/innen, die Precision-Farming-Technologien einsetzen, wozu beispielsweise satellitengesteuerte Landmaschinen und der Einsatz moderner Sensorik gehören, nimmt stetig zu [1]. Auch innovativere Technologien wie Drohnen, Melk- und Stallroboter kommen in landwirtschaftlichen Betrieben zunehmend zum Einsatz, während im Bereich der Feldrobotik erste praxistaugliche Prototypen zur Verfügung stehen. Die erhobenen Betriebsdaten werden verbreitet in Farmmanagementsystemen gespeichert und mit externen Daten zusammengeführt, was eine zunehmend datenbasierte Steuerung der landwirtschaftlichen Prozesse sowie der Lebensmittelproduktion ermöglicht. Diese Entwicklungen werden von den Expert/innen mehrheitlich als resilienzförderlich eingeschätzt (Datengrafik).
Auch im Handel halten digitale Lösungen wie tablet- oder smartphonegestützte Kassensysteme oder digitale Preisschilder Einzug. Die Möglichkeit, Produkte online zu bestellen und sich an die Haustür liefern zu lassen (Click & Collect) wird von Kund/innen zunehmend in Anspruch genommen [2]. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland hat in den letzten Jahren zugenommen. Der Umsatz vervierfachte sich seit 2014 [3]; der Marktanteil nahm ebenfalls zu, liegt mit rund 3 % aber noch auf einem sehr niedrigen Niveau (Datengrafik). Auch in der Landwirtschaft steigt die Anzahl der Onlineplattformen für Betriebsmittel und Ernteprodukte [4]. Generell ist der Anteil der Einzelhandelsunternehmen, die KI-Maßnahmen bereits einsetzen, von 7,5 % im Jahr 2020 auf 23,5 % im Jahr 2023 gestiegen [5]. KI-basierte Innovationen und Automatisierungen kommen auch in der Logistikbranche zunehmend zum Einsatz [6]. Bei der Integration der Lieferketten spielen insbesondere Supply Chain Tracking, Blockchain und Internet of Things eine zentrale Rolle [7].
Die Digitalisierung ermöglicht es, Logistikprozesse umfassend zu optimieren. Digitale Lösungen können dabei helfen, logistische Verzögerungen und Kapazitätsengpässe zu reduzieren [8][9]. Außerdem können sie einen Beitrag zur Minderung der Lebensmittelverschwendung leisten [10], was laut Expertenbefragung ein wichtiger Beitrag zur Resilienzstärkung des Infrastruktursystems wäre (Datengrafik). Allerdings gehen mit einer umfassenden Digitalisierung der Lebensmittelkette auch erhöhte Cybersicherheitsrisiken einher.
Während in der Tierproduktion robotische Anwendungen (z.B. automatische Melksysteme) bereits etabliert sind, steckt die vollständige Automatisierung pflanzenbaulicher Prozesse (Aussaat, Düngung, Ernte, Pflanzenschutz bzw. Unkrautbekämpfung etc.) mithilfe von Feldrobotern noch in den Kinderschuhen. Es gibt eine Vielzahl von Forschungsprototypen [11], aber erst wenige marktreife Konzepte in Bereichen wie der Unkrautbekämpfung oder der Aussaat [12]. Gründe für das noch relativ frühe Entwicklungsstadium sind zum einen die auf dem Acker vorherrschenden Umweltbedingungen, die besonders hohe Anforderungen an die sensorische Umfelderfassung und die autonome Steuerung erforderlich machen. Zum anderen können kleine Feldroboter bei weitem nicht die gleiche Schlagkraft und damit Leistungsfähigkeit wie herkömmliche Landmaschinen erreichen, die in den letzten Jahrzehnten immer größer und schwerer geworden sind. Ihr Einsatz macht deshalb in der Regel eine Neuausrichtung der Ackerbauprozesse und Pflanzenbausysteme erforderlich. Erforscht werden beispielsweise im Schwarmverband operierende Einheiten [13] oder das Spot Farming [14], bei dem mehrere Kultursorten auf einem Feld von vielen kleineren, elektrisch betriebenen Robotern kleinräumig bewirtschaftet werden. Mithilfe von Feldrobotern bietet sich so grundsätzlich das Potenzial, die Landwirtschaft klima- und umweltfreundlicher zu machen, ohne dass größere Ertragsverluste zu erwarten sind. Zudem könnten autonome Feldroboter, die prinzipiell rund um die Uhr einsatzfähig sind, auch dabei helfen, das Agrarsystem resilienter gegen den zunehmenden Arbeitskräftemangel zu machen [15].
Mithilfe von standardisierten Schnittstellen und Technologien wie QR-Codes, RFID (Radio-Frequency Identification) oder Blockchain können Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette weitergereicht werden. Für die Landwirtschaft (und die vor- und nachgelagerten Bereiche) bietet sich so die Möglichkeit, landwirtschaftliche Produkte vom Teller bis zum Acker rückverfolgbar zu machen und erfolgte Arbeitsschritte und Ressourceneinsätze transparent und vertrauenswürdig für Verbraucher/innen zu dokumentieren. Die Anwendungsmöglichkeiten betreffen aber nicht nur Informationen, die an den Endkunden weitergereicht werden sollen, sondern auch solche, die für die Bereitstellung von Saatgut, Düngemitteln, Viehfutter und Wasserressourcen wichtig sind. Verschiedene Anbieter haben innovative Softwarelösungen entwickelt, die auf die spezifischen Bedarfe der Lebensmittelindustrie zugeschnitten sind (beispielsweise Sicherstellung einer lückenlosen Kühlkette) und mit denen sich Transport- und Lagerprozesse in Echtzeit überwachen lassen. Mögliche Auswirkungen von Personalmangel oder Transportausfällen (z.B. durch die Schließung eines Verschiffungshafens) lassen sich so schnell entlang der Wertschöpfungskette kommunizieren und es können Lösungen gefunden werden, um Lieferengpässe zu vermeiden. Außerdem können Datenplattformen in Zeiten von Polykrisen die Resilienz von globalen Lieferketten erhöhen [16]. Eine umfassende Kartierung der internationalen Lieferbeziehungen auf Unternehmensebene würde die Erarbeitung politischer Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene unterstützen, denn der Mangel an detaillierten wirtschaftlichen Mikrodaten behindert häufig gezielte politische Ansätze [17].
- Rohleder, B.; Meinel, T. (2022): Die Digitalisierung der Landwirtschaft. 12.5.2022, www.bitkom.org/ (25.1.2024)
- Statista (2023): Techniktrends im Handel, de.statista.com/
- Bevh (2023): Umsatz mit Lebensmitteln im Online-Handel in Deutschland von 2014 bis 2022 (in Millionen Euro). 26.1.2023, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Agrar-Trends (2020): Agrarhandel per Mausklick: Zahl der Online-Plattformen boomt. 11.2.2020, agrar-trends.de/
- Handel 4.0. (2023): Umfrage zur Anwendung von künstlicher Intelligenz im Handel bis 2023. 18.4.2023, de.statista.com/ (26.2.2024)
- SCI Verkehr (2021): Für wie bedeutend halten Sie folgende Megatrends in der Logistikbranche? 17.11.2021, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Forbes (2023): Understanding Automation Technology to Optimize C-Store Operations, www.forbes.com/ (26.2.2024)
- Artoonian, T. A.; Ross, R. B.; Shupp, R. S. (2023): Identification and assessment of supply chain risks: The case of food hubs. In: Agribusiness. DOI: 10.1002/agr.21877
- Europäische Kommission (2021): Contingency plan for ensuring food supply and food security in times of crisis. Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions. Brüssel, eur-lex.europa.eu/
- PricewaterhouseCoopers (2024a): The Sustainable Food Revolution. Future-proofing the world’s food supply. Viewpoint, www.strategyand.pwc.com/ (12.1.2024)
- Biooekonomie (2022): Digital-Gipfel: Feldroboter beeindruckt Kanzler. biooekonomie.de/ (20.2.2024)
- Naio (2024): Oz. The farming assistant for time-consuming and arduous tasks, www.naio-technologies.com/ (20.2.2024)
- Fendt (2024): Projekt Xaver: Forschung im Bereich Agrarrobotik. Precision Farming weiter gedacht. www.fendt.com/
- Wegener, J. K.; Urso, L.-M.; Hörsten, D. von; Hegewald, H.; Minßen, T.-F.; Schattenberg, J.; Gaus, C.-C.; Witte, T. de; Nieberg, H.; Isermeyer, F.; Frerichs, L.; Backhaus, G. F. (2019): Spot farming – an alternative for future plant production. 70-89 Seiten / Journal of Cultivated Plants, Bd. 71 Nr. 4 (2019): Themenheft Neue Pflanzenbausysteme. DOI: 10.5073/JfK.2019.04.02
- WEF (2024): If agtech is to transform the world, farmers must feel the benefits. 16.4.2024, www.weforum.org/ (20.2.2024)
- WEF (2023): Shared Intelligence for Resilient Supply Systems, www3.weforum.org/
- Pichler, A.; Diem, C.; Brintrup, A.; Lafond, F.; Magerman, G.; Buiten, G.; Choi, T. Y.; Carvalho, V. M.; Farmer, J. D.; Thurner, S. (2023): Building an alliance to map global supply networks. In: Science 382(6668), S. 270–272. DOI: 10.1126/science.adi7521
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de