Flächennutzungskonkurrenzen
Flächenkonkurrenzen ergeben sich aus einer Vielfalt von Faktoren. Steigende Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Anbaumethoden, Diversifizierung der landwirtschaftlichen Einnahmequellen und Bodenspekulation wirken sich auf die Flächennutzung aus. Deswegen zielen zahlreiche innovative Anbausysteme und technologische Entwicklungen darauf ab, den Flächenverbrauch bei der Produktion von Lebensmitteln zu reduzieren.
Die Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen nimmt in Teilen Deutschlands zu. Sie ergibt sich zum einen durch die Verschlechterung der ökologischen Lebensgrundlagen, was sich negativ auf die Eignung von Flächen für die Landwirtschaft auswirkt und zu Ertragsschwankungen sowie ggf. höheren Lebensmittelpreisen führt. Zum anderen tragen zur Flächenkonkurrenz aber auch die steigenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Anbaumethoden bei, die tendenziell zu geringeren Erträgen führen [1]. Ein weiterer Faktor ist schließlich, dass landwirtschaftliche Flächen – aufgrund einer zunehmenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen für verschiedene Verwendungszwecke, über die Lebensmittelproduktion hinaus – immer vielfältiger genutzt werden. Ablesen lässt sich das u.a. an einer zunehmenden Diversifizierung der landwirtschaftlichen Einnahmequellen (z.B. Erzeugung erneuerbarer Energien) [2]. In Deutschland wird inzwischen 16 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung genutzt [3]. Dieser Wert könnte durch den Umstieg von fossilen Rohstoffen auf klimaschonende Alternativen [4] und perspektivisch den Einsatz von Bioenergie mit CO2‐Abscheidung und -Speicherung (BEECS) [5] weiter steigen.
Die Kaufpreise für Ackerland sowie die Pachtpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen sind in den vergangenen 15 Jahren stark angestiegen [6], was nicht zuletzt eine Folge der zunehmenden Konkurrenz um landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist [7]. Zugleich wächst die Anzahl der überregional aktiven Investoren, die wirtschaftliche Interessen haben, die über die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens hinausgehen [8]. Die zunehmende Spekulation mit landwirtschaftlichem Boden sehen die meisten befragten Expert/innen als eine Entwicklung an, die eher stark zur Verletzlichkeit des Infrastruktursystems beiträgt (Datengrafik).
Unter anderem über die Doppelnutzung landwirtschaftlicher Nutzfläche wird angestrebt, die Flächenkonkurrenz zu minimieren. Ein Beispiel für eine Doppelnutzung, die auch politisch gefördert wird, ist die Agriphotovoltaik [9]. Weitere Lösungsansätze, um Flächenkonkurrenzen zu entschärfen, könnten die Entwicklung von Alternativen zu tierischen Proteinquellen sowie bodenlose Anbausysteme bieten.
Die Fleischproduktion ist besonders flächenintensiv. Der Flächenverbrauch für 100 g verzehrfähiges Rinderfleisch liegt zwischen 2,7 und 4,9 m², wobei ein Großteil davon für den Futteranbau benötigt wird und außerhalb Deutschlands für den Sojaanbau anfällt [10]. Die Entwicklung von Alternativen zu tierischen Proteinen bietet entsprechend große Potenziale [11], um Flächen zu sparen und Lieferketten zu diversifizieren. Der Markt für alternative Proteine und für pflanzliche Ernährung wächst schnell [12]. Nicht nur Investitionen in die Entwicklung der zellkulturbasierten Fleischproduktion sind zu verzeichnen, erforscht und entwickelt werden auch zahlreiche weitere Lösungen wie Präzisionsfermentierung zur Erzeugung von Proteinen oder funktionellen Lebensmitteln [13] oder auch Aquakultursysteme, die Holzabfälle in nahrhafte Meeresfrüchte (Nacktmuscheln) umwandeln [14]. Außerdem ergeben sich mit der KI-gestützten Vorhersage von Proteineigenschaften [15] neue Möglichkeiten für die Erforschung alternativer Proteinquellen (aus Pflanzen, Insekten, Pilzen und Algen [16] oder auch von Lebensmittelenzymen [17]. Weiter zu erforschen sind aber auch die Auswirkungen alternativer Proteinquellen auf Umwelt, menschliche Gesundheit, Ernährungssicherheit und Tierwohl, die oft noch unklar sind [18].
Zu den bodenlosen Anbausystemen zählen u.a. die vertikale Landwirtschaft, bei der Nahrungsmittel in vertikal gestapelten Ebenen oder Regalen anstatt in traditionellen horizontalen Feldern oder Gewächshäusern angebaut werden, sowie Indoor Farming, bei dem komplett auf Sonnenlicht verzichtet wird. Steigende Umsätze sind derzeit zu verzeichnen und es wird mit einem weiteren Marktwachstum gerechnet [19][20]. Bodenlose Anbausysteme können verschiedene Ansätze umfassen (z.B. Hydroponik, Aquaponik, Aeroponik), wobei die exakte Kontrolle der Anbaubedingungen große Vorteile bietet. Da bodenlose Anbaumethoden in der Regel auf einem Kreislaufsystem für Wasser und Nährstoffe basieren, bieten sie auch ökologische Potenziale. Zwar sind sie nicht für landwirtschaftliche Massenprodukte (z.B. Getreide, Zuckerrüben, Ölpflanzen) geeignet, dennoch sind für einzelne Anbaupflanzen (z.B. Salat) bereits gute Ergebnisse im bodenlosen Anbau erzielt worden. Im Durchschnitt liefern solche Systeme doppelt so hohe Erträge wie der Feldanbau, wobei die wichtigsten Einflussfaktoren die angebaute Sorte, die Jahreszeit, die Art der Nährstoffzufuhr und die Art der Beleuchtung sind [21]. Allerdings ist insbesondere der hohe energetische Aufwand eine große Herausforderung und wirkt sich negativ auf die Produktionskosten und Wirtschaftlichkeit aus [22][23], sodass sich bodenlose Anbausysteme noch nicht in der Breite durchsetzen konnten.
- Krause, H.-M.; Mayer, J.; Oberson A. ; Jarosch, K.; Fliessbach, A.; Mäder, P. (Hg.) (2023): Umweltwirkung und Produktivität von biologischen und konventionellen Systemen – Ergebnisse aus 42 Jahre DOK Versuch. 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, www.orgprints.org/
- Brandt, M. (2021): Zweites Standbein Energieerzeugung. 20.9.2021, de.statista.com/ (26.2.2024)
- BZL (2023): Was wächst auf Deutschlands Feldern?, www.landwirtschaft.de/ (9.1.2024)
- WBGU (2020): Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. Berlin, www.wbgu.de/ (9.1.2024)
- Science media center (2020): Rolle und Potenzial von negativen Emissionen durch
BECCS. 24.8.2020, www.sciencemediacenter.de/ (9.1.2024) - DVB (2023): Durchschnittliche Pachtpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen nach Nutzungsart in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2020 (in Euro pro Hektar). 7.12.2023, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2024a): Bodenpreise: Warum sie seit Jahren steigen. 5.1.2024, www.praxis-agrar.de/ (28.2.2024)
- Laschewski, L.; Tietz, A. (2020): Auswirkungen überregional aktiver Investoren in der Landwirtschaft auf ländliche Räume. Ergebnisse aus zwei Fallstudien. Johann Heinrich von Thünen-Institut, www.bmel.de/ (9.1.2024)
- Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2024a): Bodenpreise: Warum sie seit Jahren steigen. 5.1.2024, www.praxis-agrar.de/ (28.2.2024)
- Jetzke, T.; Richter, S. (2020): Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft. Trendbericht zur Abschätzung der Umweltwirkungen von pflanzlichen Fleischersatzprodukten, essbaren Insekten und In-vitro-Fleisch. Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/
- Jetzke, T.; Bovenschulte, M.; Ehrenberg-Silies, S. (2016): Fleisch 2.0 – unkonventionelle Proteinquellen. TAB-Themenkurzprofil Nr. 5, publikationen.bibliothek.kit.edu/
- Umweltbundesamt (2023): Umweltbewusstseinsstudie 2022, www.umweltbundesamt.de/
- ITA (2023c): Proteinwende – Alternative Eiweißquellen breitenwirksam nutzen, www.parlament.gv.at/ (9.1.2024)
- Willer, D. F.; Aldridge, D. C.; Mehrshahi, P.; Papadopoulos, K. P.; Archer, L.; Smith, A. G.; Lancaster, M.; Strachan, A.; Shipway, J. R. (2023): Naked Clams to open a new sector in sustainable nutritious food production. In: npj Sustain. Agric. 1(1). DOI: 10.1038/s44264-023-00004-y
- Callaway, E. (2022): What’s next for AlphaFold and the AI protein-folding revolution. In: Nature 604(7905), S. 234–238. DOI: 10.1038/d41586-022-00997-5
- Bedoya, M. G.; Montoya, D. R.; Tabilo-Munizaga, G.; Pérez-Won, M.; Lemus-Mondaca, R. (2022): Promising perspectives on novel protein food sources combining artificial intelligence and 3D food printing for food industry. In: Trends in Food Science & Technology 128, S. 38–52. DOI: 10.1016/j.tifs.2022.05.013
- Wang, X.; Yang, P.; Zhao, B.; Liu, S. (2023): AI-assisted food enzymes design and engineering: a critical review. In: Syst Microbiol and Biomanuf 3(1), S. 75–87. DOI: 10.1007/s43393-022-00138-z
- Duluins, O.; Baret, P. V. (2024): A systematic review of the definitions, narratives and paths forwards for a protein transition in high-income countries. In: Nature food 5(1), S. 28–36. DOI: 10.1038/s43016-023-00906-7
- BIS (2023): Indoor Farming Technology Industry and Technology Overview, bisresearch.com/ (9.1.2024)
- Bundesanzeiger (2022): Umsatz von InFarm – Indoor Urban Farming GmbH weltweit in den Jahren 2018 bis 2020 (in 1.000 Euro). 20.6.2022, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Gargaro, M.; Murphy, R. J.; Harris, Z. M. (2023): Let-Us Investigate; A Meta-Analysis of Influencing Factors on Lettuce Crop Yields within Controlled-Environment Agriculture
Systems. In: Plants (Basel, Switzerland) 12(14). DOI: 10.3390/plants12142623 - Ahamed, M. S.; Sultan, M.; Monfet, D.; Rahman, M. S.; Zhang, Y.; Zahid, A.; Bilal, M.; Ahsan, T. A.; Achour, Y. (2023): A critical review on efficient thermal environment controls in indoor vertical farming. In: Journal of Cleaner Production 425, S. 138923. DOI: 10.1016/j.jclepro.2023.138923
- Hawes, J. K.; Goldstein, B. P.; Newell, J. P.; Dorr, E.; Caputo, S.; Fox-Kämper, R.; Grard, B.; Ilieva, R. T.; Fargue-Lelièvre, A.; Poniży, L.; Schoen, V. et al. (2024): Comparing the carbon footprints of urban and conventional agriculture. In: Nat Cities 1(2), S. 164–173. DOI: 10.1038/s44284-023-00023-3
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de