Ökologische Produktionsgrundlagen
Die letzten fünf Jahren hat eine zunehmende Wasserknappheit das Infrastruktursystem geprägt. Extremwetterereignisse sind inzwischen zur Normalität geworden, was Herausforderungen für die Bodenfruchtbarkeit mit sich bringt. Der Verlust von Biodiversität prägt die Landwirtschaft und die Übernutzung von Fischressourcen die Zukunft von Fischereien und Aquakulturen. In der Tierhaltung werden vor allem wachsende antimikrobielle Resistenzen als relevanter Vulnerabilitätsfaktor angesehen.
Das Infrastruktursystem ist derzeit stark durch die Verschlechterung der ökologischen Produktionsgrundlagen geprägt. Dies zeigt sich an der Zunahme von Extremwetterereignissen, die sich auf die Ernteerträge auswirken und in Form von Wind und Regen stark zur Bodenerosion beitragen. In Europa steigen die Temperaturen verhältnismäßig schnell [1], und die durchschnittliche Anzahl der Hitzetage pro Jahr hat seit 1980 deutlich zugenommen [2], ebenso die Anzahl und Schwere von Dürreperioden (ablesbar u.a. an der Bodenfeuchtigkeit; [3]). Starkniederschlag tritt insgesamt häufiger auf [4][5]. Alle befragten Expert/innen schätzen Extremwetterereignisse als einen sehr relevanten Vulnerabilitätsfaktor für das Infrastruktursystem ein (Datengrafik).
Eine zunehmende Wasserknappheit erhöht für die meisten befragten Expert/innen die Verletzlichkeit des Infrastruktursystems stark (Datengrafik). Die Bodenwasservorräte haben in den letzten Jahrzehnten während der Vegetationsperiode signifikant ab- [6] und die Jahre mit niedriger Bodenfeuchte deutlich zugenommen [7]. Von 2007 bis zum Sommer 2023 wies der Wassernutzungsindex hierzulande auf Wasserstress hin [8]. Um mit der zunehmenden Trockenheit umzugehen, werden Kulturpflanzen gezüchtet, die gegenüber Trockenheit resistenter sind [9]. Darüber hinaus werden Strategien und Technologien für den Umgang mit Trockenheit und Wasserknappheit entwickelt. Durch die starken Niederschläge im Winter 2023/2024 haben sich die Grundwasserstände allerdings erholt. Die Böden sind in vielen Regionen nass und teilweise überstaut, was wiederum andere Herausforderungen für die Landwirtschaft mit sich bringt, wie Erosion und eine entsprechende Verringerung der biologischen Funktion von Böden [10].
Neben den zunehmenden Extremwetterereignissen und zunehmender Wasserknappheit zählen die sinkende Bodenfruchtbarkeit, der fortschreitende Biodiversitätsverlust sowie die Übernutzung von Fischressourcen zu den Trends, die aus Sicht der Expert/innen besonders stark zur Verletzlichkeit des Sektors beitragen (Datengrafik). Die sinkendende Bodenfruchtbarkeit ist durch Landdegradation bedingt und führt zu einer langfristigen Verschlechterung des Zustands terrestrischer Ökosysteme und einer Beeinträchtigung der biologischen Produktivität [11][12]. Von den befragten Expert/innen wird die Verbreitung bodenschonender Anbauverfahren, etwa der pfluglosen Bodenbearbeitung oder der Agroforstwirtschaft [13], als relevanter Beitrag zur Stärkung der Resilienz des Infrastruktursystems eingeschätzt (Datengrafik). Der Verlust von Biodiversität lässt sich sowohl in der Pflanzen- als auch der Tierproduktion beobachten: 75 % der Nahrungsmittel weltweit setzen sich aus 12 Nutzpflanzenarten und fünf Tierarten zusammen [12]. In den letzten 100 Jahren ist die Vielfalt der Kulturpflanzenarten um 75 % zurückgegangen [14]. Betroffen ist aber auch die Insektenvielfalt bzw. die Vielfalt der natürlichen Bestäuber [15], von denen schätzungsweise etwa 35 % der weltweiten pflanzenbasierten Nahrungsmittelproduktion abhängen [16]. Neben der Vielfalt der Insektenarten ist zudem selbst innerhalb von Schutzgebieten in Deutschland die Insektenbiomasse zwischen 1989 und 2016 um ca. 75 % zurückgegangen [17]. Der Biodiversitätsverlust beeinträchtigt die natürliche Regulierung von Schädlingen und Krankheiten [14][12]. Als problematisch für die Resilienz des Infrastruktursystems werden vor allem die wachsenden antimikrobiellen Resistenzen in der Tierhaltung [18] eingeschätzt (Datengrafik). Zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Bakterien in der Nutztierhaltung könnten Bakteriophagen eine Rolle spielen [19]. Außerdem könnten sich Fortschritte im Bereich einer KI-gestützten genomischen Überwachung antimikrobieller Resistenzen perspektivisch als hilfreich erweisen.
Um mit Wasserknappheit in der Landwirtschaft umzugehen, werden neue Technologien entwickelt. Fortschritte sind im Bereich der Absorption von Feuchtigkeit aus der Luft zu verzeichnen. Es wurden Lösungen entwickelt, die wenig oder gar keine Energie verbrauchen [20]. Zuletzt hat die Entwicklung eines Materials (SHCP-10) Aufmerksamkeit auf sich gezogen, das Luftfeuchtigkeit absorbiert und sie mithilfe von Sonnenenergie wieder freigibt [21]. Mit 1 kg des neuen Materials können – unter wüstenähnlichen Bedingungen – 300 ml Trinkwasser pro Aufnahme/Abgabezyklus gewonnen werden. Der Vorgang kann mehrere Mal am Tag wiederholt werden [22]. Allerdings sind solche technologischen Lösungen noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase [20] und Anwendungspotenziale bestehen vor allem in Wüstenregionen. In Deutschland und Europa dürften Hebel eher in der Wiederverwendung von Abwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung sowie in naturbasierten Lösungen (z.B. Erhöhung der Infiltrations- und Speicherkapazität von Feuchtgebieten und Böden durch Humusaufbau oder Einsatz von Biokohle, Schutz von Grundwasser) zu finden sein [20].
In den letzten Jahren wurden bei der Analyse langer Genomsequenzen sowie der kombinierten Analyse von mikrobiellen epidemiologischen und phylogenomischen Daten große Fortschritte erzielt. Davon profitiert auch die Überwachung antimikrobieller Resistenzen, die zunehmend auf genomischen Überwachungssystemen beruht. Im Vergleich zu herkömmlichen Überwachungsansätzen, bei denen Mikroorganismen kulturbasiert isoliert werden und die antibiotische Aktivität in vitro getestet wird, bietet die Sequenzierung des gesamten Genoms von Mikroorganismen eine höhere Auflösung, eine präzisere Charakterisierung von multiplen Resistenzen und eine Trendrückverfolgung sowie -vorhersage. Viele Datenbanken und Softwaretools zur Katalogisierung und Identifizierung von Antibiotikaresistenzgenen in bakteriellen Genomen stehen inzwischen zur Verfügung. KI könnte perspektivisch eine Unterstützung bei der Verarbeitung großer Datenmengen spielen, um neuartige Resistenzmechanismen zu identifizieren. In der Landwirtschaft ermöglichen Genomsequenzierung und Metagenomik die Rückverfolgung der Übertragung von Antibiotikaresistenzen zwischen Tieren, der Umwelt und dem Menschen und unterstützen so die Bemühungen zur Förderung eines verantwortungsvollen Einsatzes von Antibiotika und zur Verhinderung der Ausbreitung von Resistenzen [23].
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report 2024. Mit Fokus auf die Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de
- Eurostat (2019): Erderwärmung in Europa und weltweit | Statista. Statista, de.statista.com/ (11.3.2024)
- Europäische Kommission (2024): Durchschnittliche Anzahl der Hitzewellen-Tage pro Jahr¹ in ausgewählten Ländern Europas im Zeitraum 1980 bis 2024 (Stand: Februar 2024). de.statista.com/ (26.2.2024)
- Europäische Kommission (2023): Anomalien der durchschnittlichen Bodenfeuchte in Deutschland von 1980 bis 2022. Statista, 11.3.2024, de.statista.com/
- Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2021): Anzahl der Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad Celsius oder Starkniederschlag in Deutschland zwischen 1901 und 2010. 1.11.2021, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Statista (2023): Wetterextreme in Deutschland. Statista Overview-Report zum Auftreten und der Gefahr von wetterbedingten Extremereignissen in Deutschland, de.statista.com/
- Umweltbundesamt (2019): BO-I-1: Bodenwasservorrat in landwirtschaftlich genutzen Böden, www.umweltbundesamt.de/ (9.1.2024)
- Europäische Kommission (2023): Anomalien der durchschnittlichen Bodenfeuchte in Europa von 1980 bis 2022. 17.4.2023, de.statista.com/ (26.2.2024)
- Umweltbundesamt (2022): Wasserressourcen und ihre Nutzung. 14.11.2022, www.umweltbundesamt.de/ (22.9.2023)
- TAB (2023): Aufgaben und Herausforderungen einer vielfältigen und vielfaltsfördernden Pflanzenzüchtung. Arbeitsbericht Nr. 197. DOI: 10.5445/IR/1000155032
- Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (2024): Von einem Extrem ins andere – Fragen und Antworten zur aktuellen Hochwassersituation, www.ufz.de/
- Luig, L.; Dewitz, I.; Witte, T.; Wannemacher, D.; Stiem-Bhatia, L.; Weigelt, J. (2024): Bodenatlas 2024, www.bund.net/
- WBGU (2020): Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. Berlin, www.wbgu.de/ (9.1.2024)
- Umweltbundesamt (2023): Bodenbearbeitung, www.umweltbundesamt.de/
- JRC (2023): Food futures — Sustainable food systems. publications.jrc.ec.europa.eu/ (9.1.2024)
- BfN (2024): Insektenrückgang, www.bfn.de/ (28.2.2024)
- BMBF (2022): Der Traum von Nikola Tesla. Vorausschau: Themenblätter. Runde I bis III, www.vorausschau.de/
- Hallmann, C. A.; Sorg, M.; Jongejans, E.; Siepel, H.; Hofland, N.; Schwan, H.; Stenmans, W.; Müller, A.; Sumser, H.; Hörren, T.; Goulson, D.; Kroon, H. de (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. In: PloS one12(10), S. e0185809. DOI: 10.1371/journal.pone.0185809
- JRC (2021a): Contingency plan for ensuring food supply and food security. publications.jrc.ec.europa.eu/
- TAB (2023): Bakteriophagen in Medizin, Land- und Lebensmittelwirtschaft – Anwendungsperspektiven, Innovations- und Regulierungsfragen. Arbeitsbericht Nr. 206, publikationen.bibliothek.kit.edu/
- EPRS (2023): What if Europe ran out of water? epthinktank.eu/ (9.1.2024)
- Freund, S. (2023): Neues Polymer sammelt Wasser aus der Luft. In: VDI-Nachrichten 26, 2023, S. 20–21
- Hochwarth, D. (2023): Innovatives neues Material erntet Luftfeuchtigkeit und bringt Wasser in die Wüste, www.ingenieur.de/ (14.5.2024)
- Djordjevic, S. P.; Jarocki, V. M.; Seemann, T.; Cummins, M. L.; Watt, A. E.; Drigo, B.; Wyrsch, E. R.; Reid, C. J.; Donner, E.; Howden, B. P. (2023): Genomic surveillance for antimicrobial resistance – a One Health perspective. In: Nature reviews. Genetics. DOI: 10.1038/s41576-023-00649-y