Wandel des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft
Wissenschaft ist zunehmend gefordert, Antworten auf gesellschaftliche sowie globale Herausforderungen, wie den Klimawandel oder die Gewährleistung der Ernährungssicherheit, zu entwickeln. Nicht nur in der Forschungspraxis, sondern auch in der Forschungsförderung gewinnen Missions- sowie Problem- und Innovationsorientierung an Bedeutung. Eine besondere Herausforderung in Zeiten von Polykrisen ist die Bereitstellung von belastbarem Wissen, während gleichzeitig Populismus und Verbreitung von Falschinformation auf sozialen Medien zunehmen.
Wissenschaft und Forschung sind zunehmend gefordert, Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wie den globalen Nachhaltigkeitszielen zu leisten. Damit steigt auch die Anforderung an die FuE-Förderung, sich stärker problemorientiert bzw. an den globalen Nachhaltigkeitsziele auszurichten. So werden in der deutschen Zukunftsstrategie Forschung und Innovation sechs Missionen in Bereichen wie Klimaschutz, Gesundheit oder Digitalisierung genannt [1]. In Deutschland ist die Berücksichtigung gesellschaftlicher Belange zu einem festen Bestandteil der Technologieförderung geworden, und ethische, gesellschaftliche und ökologische Aspekte haben in der FuE-Förderung und Technologieentwicklung an Bedeutung gewonnen [2].
Um den Praxisbezug von Forschungsergebnissen zu stärken, die im Wissenschaftssystem erarbeitet werden, wird zunehmend inter- und transdisziplinär gearbeitet [3][4]. Außerdem werden Bürger/innen verstärkt in die wissenschaftliche Forschung einbezogen. Entsprechende Forschungsansätze (z.B. Reallaborforschung, Citizen Science, Crowdsourcing) wurden in den letzten Jahren entwickelt und implementiert [5]. Ein Beispiel sind Crowdsourcing-Initiativen, die insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie verstärkt genutzt werden. Solche Ansätze zielen beispielsweise darauf ab, große Mengen an wissenschaftlicher Literatur zu gesellschaftlichen Herausforderungen (z.B. Pandemie) auswerten zu lassen [6], Ideen zu deren Bewältigung zu sammeln [7] oder auch technische Lösungen, wie Software, kollektiv nutzerorientiert zu entwickeln (Hackathon) [8].
Im Zuge der Pandemie wurden die Bedeutung und die Herausforderungen der Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in die politische Entscheidungsfindung deutlich[9][10]. In der Folge haben sich die Aktivitäten im Bereich der Wissenschaftskommunikation und der wissenschaftlichen Politikberatung mit einem Fokus auf die digitale Kommunikation und die gezielte Adressierung unterschiedlicher Zielgruppen weiterentwickelt [11] [12]; sie werden auch in Deutschland intensiviert [13]. Unter anderem werden Instrumente für die Beratung in Zeiten von Polykrisen weiterentwickelt. Dazu gehören Methoden und Leitlinien, um in Krisenzeiten und unter hohem Zeitdruck belastbares Wissen für die Politik bereitzustellen [14]. Außerdem werden Instrumente entwickelt, um in Krisenzeiten schneller auf politischen und gesellschaftlichen Wissensbedarf reagieren zu können [15] und um Beratungstätigkeiten von Wissenschaftler/innen in wissenschaftlichen Karrieren anzuerkennen [16]. Generative KI könnte hier die Zusammenführung unterschiedlicher Wissensbestände unterstützen, wobei die Verlässlichkeit sorgfältig geprüft werden müsste. In den Klimawissenschaften und in der Gesundheitsforschung wird der Einsatz von gKI für die Synthetisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse erprobt [17][18].
Die Wissenschaft genießt in Deutschland grundsätzlich ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung (Datengrafik). Im Jahr 2023 vertrauten mehr als die Hälfte (56 %) der Deutschen Wissenschaft und Forschung, und etwa zwei Drittel waren der Meinung, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten. Diese Werte sind im Vergleich zu den beiden Vorjahren, in denen das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung gestiegen war, jedoch leicht zurückgegangen. In den Jahren 2021 und 2022 gaben jeweils über 60 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage an, eher oder voll und ganz in Wissenschaft und Forschung zu vertrauen [19]. Zugleich ist der Anteil derjenigen, die (eher) kein Vertrauen in Wissenschaft und Forschung haben, zwischen 2021 und 2023 von 6 auf 13 % gestiegen [19].
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Die Pandemie hat somit zwei gegenläufige Trends ausgelöst: Zum einen hat sie zu einem temporären Anstieg des Vertrauens in Wissenschaft und Forschung geführt, insbesondere bei Personen mit höherem Bildungsniveau [20]. Zum anderen hat sie aber einen bereits bestehenden Gegentrend verstärkt, wonach in Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in traditionell als glaubwürdig angesehene Quellen abnimmt [21]. Verschärft wird der Gegentrend durch die Zunahme des Gesamtvolumens an Informationen und der Reichweite von Social-Media-Netzwerken [21], wodurch sich Fehlinformationen immer schneller und weiter verbreiten können, was sich negativ auf das Vertrauen in die Wissenschaft auswirkt [22][23]. Antiwissenschaftliche Verschwörungstheorien haben beispielsweise im Zuge der Corona-Pandemie zugenommen [24]. Außerdem sind Wissenschaftler/innen, die sich gesellschaftlich exponieren, zunehmend Anfeindungen, Verunglimpfungen und sogar Angriffen ausgesetzt [25]. Um diesem Trend entgegenzuwirken, werden digitale Werkzeuge entwickelt, mit denen Falschinformationen identifiziert und verfolgt werden können [26][27].
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