Wettlauf um technologische Vorherrschaft und Innovationskraft
Vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen verschärft sich der internationale Wettbewerb um technologische Vorherrschaft im Bereich Wissenschaft und Forschung. Alle wichtigen Industrieländer investieren verstärkt in Schlüsseltechnologien (z.B. Höchstleistungsrecheninfrastruktur, multimodale KI-Modelle, Quantencomputing). Die Gefahr, dass einige Regierungen und nichtstaatliche Akteure versuchen, Forschungsprojekte für militärische und wirtschaftliche Zwecke zu missbrauchen, nimmt zu. Insgesamt ist im Forschungsbereich eine wachsende Rivalität der EU mit den USA sowie auch China zu beobachten, das sich zunehmend zu einer „scientific superpower“ entwickelt.
Die geopolitischen Spannungen der letzten Jahre haben zu einer Intensivierung der innereuropäischen Forschungskooperationen geführt, insbesondere in Schlüsselbereichen und bei großen Forschungsinfrastrukturprojekten. Seit 2020 gehört die Stärkung der technologischen und digitalen Souveränität zu einem Schwerpunkt der europäischen FuE-Politik. Investitionen in Schlüsseltechnologien nehmen zu, wobei die Schwächen der EU insbesondere in der angewandten Forschung und bei Querschnittstechnologien (KI, Internet of Things, Blockchain, Quantum- Computing) sowie bei der Kommerzialisierung von Schlüsseltechnologien zum Teil bestehen bleiben [1]. Deutschland unterstützt den europäischen Ansatz, Synergien in strategischen Schlüsselbereichen innerhalb der EU zu nutzen [2]. Zudem wird daran gearbeitet, eine international wettbewerbsfähigere Höchstleistungsrecheninfrastruktur bereitzustellen und die Erforschung und Entwicklung eines signifikanten Anteils großer multimodaler KI-Modelle in Deutschland und Europa zu ermöglichen [3].
Die Intensivierung der innereuropäischen Forschungskooperationen ist unter anderem auf das Einfrieren der Forschungskooperationen mit Russland seitens der EU und Deutschlands sowie auf die zunehmende Rivalität der EU mit China zurückzuführen [2][4]. China entwickelt sich rasch zu einer immer bedeutenderen Wissenschaftsmacht. Das Land investiert derzeit massiv in Großforschungseinrichtungen [5], beispielsweise in den Bereichen KI, Quantum-Computing, Biotechnologien und Advanced Materials [6]. China ist inzwischen weltweit führend in der Forschung zu KI-Anwendungen mit den meisten Forschungspublikationen in diesem Bereich. Die internationalen Forschungskooperationen Chinas verschieben sich von westlichen Ländern hin zu Afrika und Asien. So ist die Zahl der Publikationen in den Naturwissenschaften, an denen China und mindestens ein BRI-Land beteiligt sind, zwischen 2015 und 2023 um 132 % gestiegen – solche Publikationen machten 2023 28% aller chinesischen internationale Kooperationen aus, gegenüber 22% im Jahr 2015 [5] (Datengrafik). Ein weiterer Treiber für die Intensivierung innereuropäischer Forschungskooperationen dürfte die zweite Präsidentschaft von Donald Trump in den USA werden [7], die sich auf die Forschungslandschaft in den USA bereits massiv ausgewirkt hat. Infolge der massiven Kürzungen der Forschungsmittel erwägen viele US-amerikanische Forschende eine Abwanderung, während die EU versucht, den Forschungsstandort attraktiver zu machen [8], beispielsweise mit der „Choose Europe for Science” Initiative [9].
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Vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen versuchen einige Regierungen und nichtstaatliche Akteure zunehmend, Forschungsvorhaben in unlauterer Weise für ihre eigenen Interessen auszunutzen und zu verzerren. Um diesen wachsenden Risiken entgegenzuwirken, haben einzelne Forschungseinrichtungen, aber auch öffentliche Akteure wie die Hochschulrektorenkonferenz oder wissenschaftliche Vereinigungen wie die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG Standards, Leitlinien und Angebote entwickelt, um Wissenschaftler/innen bei der systematischen Bewertung von Risiken ausländischer Einflussnahme im Rahmen internationaler Kooperationen zu unterstützen [10]. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung setzt sich mit Maßnahmen zur Stärkung der Forschungssicherheit auseinander [11].
Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken, wird dem Transfer von Forschungserkenntnissen in die Anwendung zunehmend Bedeutung beigemessen. Entrepreneurship-Messungen zeigen, dass Deutschland trotz hoher FuE-Investitionen eine vergleichsweise niedrige Gründungsquote aufweist. Dies gilt auch für die EU insgesamt: Im November 2023 überstieg die Zahl der Unicorns – junger Unternehmen mit einem Wert von mindestens 1 Mrd. US-Dollar – in den USA und China die Zahl dieser Unternehmen in der EU um den Faktor 8 bzw. 3 [1]. Obwohl Deutschland im Jahr 2020 europaweit die meisten Unicorns aufwies, ist die Verfügbarkeit von Wagniskapital hierzulande auf einem besonders niedrigen Niveau [12]. Dies wird darauf zurückgeführt, dass das deutsche Wissenschaftssystem nicht darauf ausgelegt ist, Sprunginnovationen hervorzubringen [13]. Dagegen gibt es in Deutschland ungewöhnlich viele industrielle „Hidden Champions“, die vorrangig auf inkrementelle Innovationen setzen [12]. Um die Lücken zu schließen, werden in Deutschland neue Formen der Innovationsförderung entwickelt bzw. aufgebaut. Dazu zählen insbesondere die Gründung der Bundesagentur für Sprunginnovation SPRIND, deren Entscheidungskompetenzen zuletzt 2023 per Gesetz gestärkt wurden, sowie die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), die sich aktuell im Aufbau befindet [14].
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- Qingli, H. et al. (2024): Thoughts on fostering industries of the future based on innovation infrastructure clusters. In: Bulletin of Chinese Academy of Sciences (Chinese Version): 39(7), Article 28, DOI: 10.16418/j.issn.1000-3045.20240507002
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Jones, N. et al. (2025): What Trump 2.0 means for science: the likely winners and losers. In: Nature 637(8046), S. 532–535, DOI: 10.1038/d41586-025-00052-z
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