Biotechnologische Innovationen
Als zentraler Innovationstreiber beeinflusst die Biotechnologie zunehmend Strukturen, Prioritäten und Abhängigkeiten im Gesundheitssystem. Sie ermöglicht innovative Therapien und Diagnoseverfahren für komplexe Krankheitsbilder und trägt zu einer stärker personalisierten Medizin bei. Der Anteil biotechnologisch hergestellter Medikamente (insbesondere Biopharmazeutika) am weltweiten Pharmaumsatz ist in den letzten Jahren stark gestiegen.
Die Biotechnologie, die biologische Prozesse und Substanzen für industrielle Anwendungszwecke nutzbar zu machen sucht, ist eine stark wachsende Branche in Deutschland. Im Jahr 2023 setzte der Wirtschaftszweig hierzulande rund 12,57 Milliarden Euro um, was fast einer Versechsfachung gegenüber 2013 entspricht; die Anzahl der Beschäftigten wuchs im gleichen Zeitraum von knapp 10.000 auf über 47.000 [1][2] (Datengrafik). Medizinische Anwendungen, der Schwerpunkt der deutschen Biotech-Industrie, haben im Zuge der Covid-19-Pandemie einen starken Aufschwung erlebt. Die Grenze zwischen der medizinischen Biotech- und der Pharma-Industrie ist zunehmend schwer zu ziehen, da der Anteil der Biotechnologie am weltweiten Pharmaumsatz signifikant zugenommen hat [3]. Der Anteil von Biopharmazeutika am deutschen Pharmamarkt beläuft sich mittlerweile auf über ein Drittel (2023: 19,2 Mrd. Euro von 55,7 Mrd. Euro) [4].
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Darüber hinaus sind verschiedene andere biotechnologische Verfahren in der Entwicklung, die Hoffnungen auf maßgeschneiderte Therapien für viele bislang unbehandelbare Krankheiten wecken. Sie bringen aber auch neue Herausforderungen, etwa bei Regulierung und Finanzierung, mit sich bringen. mRNA-Plattformen bieten die Möglichkeit, flexibel und schnell personalisierte Impfstoffe und Therapieverfahren zu entwickeln. mRNA-Impfstoffe wurden erstmals gegen Covid-19 zugelassen und gelten inzwischen als wichtige Plattformtechnologie für eine zukünftige Pandemievorsorge. Darüber hinaus sind mRNA-basierte Therapien für viele weitere Krankheiten, insbesondere Krebs, in der Entwicklung [5]. Im Bereich der gen- und zellbasierten Therapien kommen neue Techniken der Genomeditierung zum Einsatz, die an den genetischen Ursachen von Krankheiten ansetzen und so die Behandlung bisher unheilbarer seltener Erkrankungen ermöglichen [6]. Aufgrund der hohen Entwicklungskosten und der einmaligen Anwendung liegen die Preise für Gentherapeutika allerdings teilweise im Millionenbereich, was bei zunehmender Verfügbarkeit zu einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen führen könnte [7][8]. Auch in der Diagnostik gewinnen molekularbiologische Verfahren, z.B. in Lab-on-a-Chip-Ansätzen, zunehmend an Bedeutung und tragen zu einer weiteren Automatisierung der Labore bei.
Künstliche Intelligenz (KI) spielt bei der Analyse biologischer Daten und damit bei der Entwicklung neuer Biopharmazeutika und Diagnostika eine immer wichtigere Rolle und dürfte für die Wettbewerbsfähigkeit des Pharma- und Biotech-Standorts Deutschland von großer Bedeutung werden [10] (Boston Consulting Group/vfa 2024, S. 33; Budde 2024). Ein wichtiger Trend in diesem Zusammenhang ist die Weiterentwicklung der Präzisionsmedizin durch KI-gestützte Multi-Omics-Analysen. Von der Integration genomischer, proteomischer und anderer molekularer Daten zu multidimensionalen Datensätzen erhofft man sich neue Einblicke in komplexe Krankheitsprozesse und Hinweise auf mögliche individualisierte Therapieansätze [11]. Dabei stellen der Bias in Datensätzen und die mangelnde Transparenz von Algorithmen eine ethische Herausforderung dar.
Festzustellen ist eine zunehmende Internationalisierung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die verstärkt in kooperativen Forschungsnetzwerken stattfinden. So wurden 2019 knapp 22 % der Forschungsausgaben am Pharmastandort Deutschland aus dem Ausland finanziert [12], was deutlich über dem Wert anderer Branchen liegt. Allerdings ist zu beobachten, dass insbesondere die biotechnologische Forschung zunehmend in den USA und Asien stattfindet. Das zeigt sich u.a. bei den Patententwicklungen. Von 2010 bis 2019 hat sich die Anzahl der biotechnologischen Patentanmeldungen aus China mehr als versiebenfacht, während die Anmeldungen aus Deutschland um 16 % zurückgingen [13]. Bei Gen-, Zell- und Gewebetherapeutika liegt Deutschland, gemessen an der Zahl der geplanten und laufenden klinischen Arzneimittelstudien, mit 78 Studien hinter den USA (555 Studien), China (551) sowie Großbritannien (84) auf Platz 4 [6]. Insgesamt hat der Standort Deutschland bei der klinischen Forschung international an Gewicht verloren: 2016 noch auf Platz 2 hinter den USA mit 641 Arzneimittelstudien, lag er 2022 mit 524 Studien nur noch auf Platz 4 hinter den USA, China und Spanien [14].
Bei Labs-on-a-Chip (LOC) handelt es sich um Labore im Kleinformat (Kreditkartengröße), mit deren Hilfe physikalisch-chemische Methoden miniaturisiert und automatisiert durchgeführt werden können [15][16]. Sie basieren auf mikrofluidischen Prinzipien und der Miniaturisierung der Sensorik und Analytik [15]. Die Bandbreite der Analysemöglichkeiten umfasst dabei „Ionen, Biomarker und DNA sowie lebende Zellen oder Pathogene (Bakterien und Viren), die direkt aus einer Blut-, Speichel- oder Tupferabstrichprobe isoliert und nachgewiesen werden können.“ [16]. Ein wichtiges Einsatzfeld ist die Diagnostik, von Virus-Schnelltests (z.B. Corona-Tests) bis hin zu einem kontinuierlichen Patienten-Monitoring, wobei LOC sowohl im Point-of-Care-Testing (also patientennahes Testen) als auch in Laborgeräten eingesetzt werden können. Durch ihre flexiblen Einsatzmöglichkeiten tragen sie zur Stärkung der dezentralen Diagnostik und damit der Resilienz des Gesundheitssystems bei. LOC können auch eine personalisierte Medizin unterstützen, indem sie individuellere Therapieansätze ermöglichen. Trotz der Vorteile der LOC-Technologie haben es bislang nur wenige Entwicklungen bis zur Marktreife geschafft. Ein Problem ist noch die Massenproduktion [17].
Die seit Mitte der 1990er Jahre betriebene Forschung an mRNA-basierten Impfstoffen für die Krebstherapie bildete die Grundlage für die rasche Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen das SARS-CoV-2-Virus (Spikevax® von Intercell; Moderna; Comirnaty® von Pfizer-BioNTech) während der COVID-19-Pandemie – dem bisher einzigen Einsatz von mRNA-basierten Impfstoffen außerhalb klinischer Studien mit (bis August 2022) weltweit mehr als 12 Mrd. verabreichten Impfdosen. mRNA-Impfstoffen werden im Vergleich zu konventionellen Impfstoffen wie proteinbasierten Subunits, DNA- oder Lebendimpfstoffen verschiedene Vorteile zugeschrieben. Dazu gehören die Anwendbarkeit für verschiedene Bevölkerungsgruppen (auch für immungeschwächte Personen, für die z. B. Lebendimpfstoffe zu riskant sind), die einfache und schnelle Anpassung an neue Erregervarianten oder an patientenindividuelle (Tumor-)Antigenprofile sowie die skalierbare und relativ kostengünstige Produktion. Impfstoffe auf mRNA-Basis werden daher für eine Reihe von Infektionskrankheiten (z.B. Influenza, HIV/AIDS, Tuberkulose, Respiratory Syncytial Virus, Zika-Virus, Malaria) sowie für die Therapie verschiedener Krebsarten entwickelt. Daten aus einer tatsächlichen breiten Anwendung zur Wirksamkeit und Sicherheit zugelassener mRNA-Impfstoffe liegen derzeit jedoch nur für die beiden Covid-19-Impfstoffe vor. Impfstoffe für andere Indikationen befinden sich noch in der präklinischen Entwicklung oder in (meist frühen) klinischen Studien [18][19]. Die Hürden für die weitere Entwicklung von mRNA-basierten Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten und für die Krebstherapie sind wissenschaftlich-technischer (z.B. Verringerung der Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Wirksamkeit) und regulatorischer Natur (z.B. hinsichtlich der Herstellung individualisierter Krebsimpfstoffe). Herausforderungen ergeben sich auch bei der großtechnischen Produktion und Logistik von Impfstoffen, die teilweise bei -70 °C gelagert werden müssen [20]. Zudem stellt die globale Produktionsverteilung ein Risiko für Lieferketten in Krisenzeiten dar.
- BIOCOM AG (2024): Umsatz der deutschen Biotech-Industrie bis 2023. Statista, www.statista.com/ (26.9.2024)
- EY (2023): Biotech in Deutschland – Beschäftigte bis 2022. . Ernst & Young; Statista, www.statista.com/ (26.9.2024)
- Evaluate (2023): Anteil von Biotechnologie am weltweiten Pharmaumsatz. Statista, www.statista.com/ (2.9.2024)
- Biopharmazeutika sind Arzneimittel, deren Wirkstoffe mithilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurde. Vgl. vfa (2024): Biopharmazeutika: Marktanteil wächst. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., 5.6.2024, www.vfa.de/ (14.6.2024).
- vfa (2024): So viele mRNA-Impfstoffe werden entwickelt. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., 30.8.2024, www.vfa.de/ (3.9.2024)
- vfa (2024): Monitor ATMP-Standort Deutschland. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., www.vfa.de/ (26.9.2024)
- Alex, K.; König, J. (2023): Dürfen Gentherapien so viel kosten? Ethische Bewertung der hohen Preise und des performanceorientierten Erstattungsmodells. In: Fehse, B. et al. (Hg.): Gen- und Zelltherapie 2.023 – Forschung, klinische Anwendung und Gesellschaft: AG Gentechnologiebe-richt mit freundlicher Unterstützung der DG-GT und des GSCN. Berlin, Heidelberg, S. 317–337, DOI: 10.1007/978-3-662-67908-1_22
- ÄrzteZeitung (2024): Techniker: GKV kann Kosten neuer Gentherapien auf Dauer nicht stemmen. 6.3.2024, www.aerztezeitung.de/ (27.4.2025)
- Boston Consulting Group; vfa (2024): Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2024. Wirt-schaftsdaten Biopharmazeutika und KI als Tool in F&E und in der Patient:innenversorgung. Berlin
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- Babu, M.; Snyder, M. (2023): Multi-Omics Profiling for Health. In: Molecular & Cellular Proteomics 22(6), Art. 100561, DOI: 10.1016/j.mcpro.2023.100561
- Kirchhoff, J. (2021): Industriepolitische Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige Pharmain-dustrie. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V., IW-Policy Paper 22/21
- Haag, M. et al. (2023): China auf dem Weg zur führenden Technologienation. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V., IW-Report 53
- vfa (o. J.): Deutschland verliert bei klinischen Studien an Boden. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., www.vfa.de/ (14.6.2024)
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- Fraunhofer IMM (o. J.): Das Labor auf dem Chip für den patientennahen Test. Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM, www.imm.fraunhofer.de/ (9.10.2024)
- Fraunhofer IWS (2022): Lab-on-chip-Systeme: In kürzester Zeit vom Prototypen zur Serienfertigung. Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, 27.1.2022, www.iws.fraunhofer.de/ (9.10.2024)
- Fan, S. (2024): mRNA Cancer Vaccines Spark Renewed Hope as Clinical Trials Gain Momentum. Singularity Hub, 26.6.2024, www.singularityhub.com/ (15.7.2024)
- The Economist (2025): Cancer vaccines are showing promise at last, Cancer vaccines are showing promise at last. 1.1.2025, www.economist.com (9.7.2025)
- Zhang, G. et al. (2023): mRNA vaccines in disease prevention and treatment. In: Signal Transduction and Targeted Therapy 8(1), S. 1–30, DOI: 10.1038/s41392-023-01579-1

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report zum Infrastruktursystem Gesundheit (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de/reports/gesundheit
- BIOCOM AG (2024): Umsatz der deutschen Biotech-Industrie bis 2023. Statista, www.statista.com/ (26.9.2024)
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