Fokusthemen
Für eine vertiefende Untersuchung im Resilienz-Check schlagen wir drei alternative Fokusthemen für das Infrastruktursystem Gesundheit vor. Diese Themen leiten sich aus der Trendanalyse und der Bewertung der Gefährdungslage durch systemische Risiken im Rahmen des Resilienz-Radars ab, einschließlich der Auswertung der verschiedenen empirischen Erhebungen. Die vorgeschlagenen Fokusthemen stehen in engem Zusammenhang mit den identifizierten Trendclustern sowie den laufenden Transformationsprozessen im Gesundheitssystem. Sie besitzen eine hohe Relevanz für die Entwicklung transformativer Resilienzstrategien. Methodisch eignen sich die spezifischen Themenzuschnitte sowohl für die geplante partizipative Bearbeitung im Resilienz-Check als auch für die Entwicklung von Zukunftsszenarien. Darüber hinaus bieten sie Potenzial für eine vertiefende Bearbeitung im Rahmen weiterer Untersuchungsformate.
Fokusthema 1: Neue Infektionsrisiken – Innovationen und Technologien für Prävention und Resilienzsteigerung
Die Häufigkeit neuer und wiederkehrender Infektionskrankheiten nimmt – wie im Trendcluster Gesundheitsbelastungen im Wandel beschrieben – stetig zu und stellt eine wachsende Herausforderung für die globale Gesundheit dar. Faktoren wie die Ausweitung menschlicher Aktivitäten in bislang unberührte Lebensräume, zunehmende globale Mobilität, industrialisierte Landwirtschaft sowie die Folgen des Klimawandels begünstigen die Ausbreitung von Krankheitserregern und steigern das Risiko infektiöser Ausbrüche. Vor diesem Hintergrund wird die vorausschauende Erkennung von neuen Infektionsgefahren zu einer zentralen strategischen Aufgabe für Politik, Gesellschaft und internationale Zusammenarbeit, um die Resilienz des Gesundheitssystems zu stärken.
Im Rahmen des Resilienz-Checks sollen technologiebasierte und innovative Ansätze zur Infektionsprävention und zur Stärkung gesellschaftlicher Resilienz fokussiert und szenariobasiert untersucht werden: (1) epidemiologische und technologische Frühwarnsysteme, etwa durch verbesserte Surveillance, automatisierte Datenerfassung und Echtzeitanalysen; (2) Modellierungsansätze zur Vorhersage und Steuerung von Epidemien/Pandemien einschließlich KI-gestützter Verfahren zur Risikoabschätzung und Entscheidungsunterstützung; (3) digitalbasierte Public-Health-Strategien, beispielsweise zur zielgerichteten Infektionsprävention, zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen sowie zur digitalen Gesundheitskommunikation – insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen. Im Rahmen der Szenarioentwicklung werden auch grundlegende Ursachen und Übertragungsmechanismen neuer Infektionen analysiert – etwa die Überwindung von Speziesbarrieren oder der Einfluss klimatischer und umweltbedingter Veränderungen wie Landnutzungswandel. Ziel des Resilienz-Checks auf Grundlage dieses Fokusthemas ist es, einen systematischen Überblick über innovative technologische Konzepte zum Umgang mit künftig steigenden Infektionsrisiken zu geben und deren Potenziale zur Stärkung der Resilienz gegenüber künftigen Infektionsrisiken zu bewerten. Dabei werden nicht nur die individuellen Vorteile der einzelnen Ansätze betrachtet, sondern auch ihre Wechselwirkungen im Gesamtsystem. Zudem werden mögliche neue Risiken analysiert, die mit den jeweiligen Ansätzen verbunden sein könnten, und resilienzorientierte Strategien entwickelt, um diesen Herausforderungen wirksam zu begegnen.
Fokusthema 2: KI-Systeme zur Resilienzsteigerung der Gesundheitsversorgung
Im Gesundheitswesen kommen – wie im Trendcluster Digitalisierung und datenbasierte Vernetzung dargelegt – zunehmend interagierende KI-Systeme zum Einsatz, die kurz-, mittel- und langfristig auch strukturelle Veränderungen bewirken werden. KI-Systeme können die Resilienz des Gesundheitssystems stärken, indem sie frühzeitig Risiken erkennen, Versorgungsabläufe effizienter gestalten und medizinisches Personal bei Diagnostik, Therapieentscheidungen und Ressourcenmanagement entlasten. Insbesondere in Krisensituationen wie Pandemien, Naturkatastrophen oder großflächigen Versorgungsausfällen versprechen KI-gestützte Analysen eine schnellere Reaktionsfähigkeit und eine zusätzliche Fundierung der Entscheidungsfindung.
Im Rahmen des Resilienz-Checks sollen ausgewählte Anwendungsgebiete von KI-Systemen fokussiert und szenariobasiert untersucht werden, die sich vor allem hinsichtlich ihrer Interaktionspartner, ihres Einsatzortes und ihrer Funktion unterscheiden: (1) KI-Systeme zur klinischen Entscheidungsunterstützung (für Fachpersonal) zur Analyse medizinischer Daten und für die Unterstützung bei Diagnose- und Therapieentscheidungen (z.B. Bildauswertung, Risiko- und Prognosemodelle, KI-gestützte Therapieempfehlungen); (2) KI-gestützte Assistenzsysteme für Patient/innen (im Alltag) für die direkte Interaktion zur Prävention, Früherkennung oder Selbstmanagement; (3) KI-Systeme für das Gesundheitsmanagement und die Versorgungskoordination zur Unterstützung der übergreifenden Organisation von Gesundheitsversorgung und Public Health. Ziel des Resilienz-Checks auf Grundlage dieses Fokusthemas ist es, Resilienzpotenziale innovativer interagierender KI-Technologien für die Gesundheitsversorgung zu analysieren. Zudem werden mögliche neue Risiken identifiziert, die mit den jeweiligen Ansätzen verbunden sein könnten, und resilienzorientierte Strategien entwickelt, um diesen Herausforderungen wirksam zu begegnen.
Fokusthema 3: Biotechnologische Produktionsplattformen für die flexible, dezentrale Entwicklung und Bereitstellung von Medikamenten und Impfstoffen
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der biotechnologischen Produktionsplattformen – wie im Trendcluster biotechnologische Innovationen dargelegt – versprechen vielfältige Möglichkeiten der Entwicklung und Produktion von Medikamenten und Impfstoffen. Insbesondere eröffnen molekularbiologische und zellbasierte Verfahren und Herstellungsprozesse neue Perspektiven für die Bereitstellung personalisierter Therapien und können eine stärkere Dezentralisierung der Versorgung fördern – etwa durch lokal betriebene oder auch mobile Produktionssysteme in Krankenhäusern oder regionalen Versorgungszentren. Dadurch könnte die Versorgungssicherheit auch in Krisen- oder Mangellagen deutlich verbessert und somit die Resilienz insgesamt gestärkt werden.
Im Rahmen des Resilienz-Checks sollen zwei Konzepte biotechnologischer Produktionsplattformen fokussiert und szenariobasiert untersucht werden: (1) technologische Entwicklungen in der Arzneimittelproduktion zur flexiblen, bedarfsorientierten und dezentralen Herstellung von Medikamenten; (2) innovative Plattformen für die Herstellung von Impfstoffen – etwa auf Basis von mRNA- oder Zellplattformen –, die eine schnellere oder effektivere Reaktion auf neu auftretende Infektionsrisiken ermöglichen. Beide Themenfelder bergen erhebliches Potenzial zur Stärkung der Resilienz im Gesundheitswesen. Ziel des Resilienz-Checks auf Grundlage dieses Fokusthemas ist es, Resilienzpotenziale des Einsatzes biotechnologischer Produktionsplattformen für Medikamente und Impfstoffe zu analysieren. Dabei wird auch berücksichtigt, welche neuen Risiken je nach Anwendungskontext entstehen können und welche Handlungsoptionen für eine möglichst resilienzorientierte Nutzung dieser Technologien bestehen.
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2024): Foresight-Report zum Infrastruktursystem Gesundheit (Autor/innen: Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de/reports/gesundheit