Fokusszenario: Innovative Bewässerungssysteme
Der Einsatz innovativer Bewässerungssysteme in Deutschland befindet sich derzeit noch in der Pilotphase und steht vor teils erheblichen ökonomischen, technischen und regulatorischen Herausforderungen. Besonders die strengen Schutzvorgaben für die Nutzung von aufbereitetem Abwasser stellen eine große Hürde dar. Zusätzlich ist die Datenlage durch große Defizite geprägt und es bestehen substanzielle Forschungsbedarfe, insbesondere hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Wasserqualität und Böden, Pflanzen und menschlicher Gesundheit.
Kurzfristig (bis 2030) unterscheidet sich das Ausmaß der in Deutschland eingesetzten Bewässerungssysteme nicht grundlegend von der Situation Mitte der 2020er Jahre. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt sind noch nicht so gravierend, dass dies eine starke Zunahme der Investitionen in neue Bewässerungssysteme zur Folge hätte. Insbesondere für kleinere Agrarbetriebe ist eine solche Investition wirtschaftlich noch nicht rentabel. Allerdings treten regionale Unterschiede bei Wasserknappheit und -verfügbarkeit zunehmend deutlicher zutage, sodass in näherer Zukunft in den wärmeren Monaten mit einem regional erhöhten Risiko von Wasserentnahmeeinschränkungen für die landwirtschaftliche Bewässerung zu rechnen ist. Ein Schwerpunkt der Entwicklung innovativer Bewässerungsanlagen liegt auf dem Einsatz wassersparender Technologien wie der Tröpfchenbewässerung. Daneben werden aber ebenfalls Möglichkeiten ausgelotet, um die großflächige Beregnung der Ackerflächen energie- und wassereffizienter zu gestalten. Während die Wasserwiederverwendung – insbesondere die Nutzung von behandeltem kommunalem Abwasser zur landwirtschaftlichen Bewässerung – in anderen europäischen Ländern bereits etabliert ist, gewinnt sie in Deutschland erst langsam durch neue Förderprogramme an Bedeutung. Diese rücken nicht nur die Erforschung und Entwicklung neuer Technologien, sondern auch die Implementierung und Finanzierung neuer Maßnahmen in den Fokus. Der Einsatz von aufbereitetem Abwasser trägt dazu bei, das verfügbare Wasserdargebot angesichts des Klimawandels sowie potenzieller Nutzungskonflikte um Wasser zu erhöhen.
Mittelfristig (bis 2035) sind innovative Bewässerungssysteme zunehmend in die Betriebsführung vieler landwirtschaftlicher Betriebe integriert worden und tragen zur effizienten Nutzung von Wasser und Energie sowie zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz bei. Während vermehrt Bewässerungstechniken wie Niedrigdruckdüsen sowie die oberirdische und unterirdische Tropfbewässerung für spezielle Pflanzenkulturen wie Obst- und Gemüsearten eingesetzt werden, spielen mobile und immer häufiger auch autonome Beregnungsmaschinen weiterhin eine zentrale Rolle in der landwirtschaftlichen Bewässerung großer Ackerflächen zum Anbau etwa von Kartoffeln oder Rüben – beide Formen der Bewässerung allerdings zunehmend eingebettet in digital vernetzte Systeme und Prozessketten. Angesichts der wachsenden Auswirkungen des Klimawandels haben neben dem breiten Einsatz effizienterer, digital unterstützter Bewässerungssysteme auch agronomische Maßnahmen zur Erhöhung der Bodenwasserverfügbarkeit an Bedeutung gewonnen, wie etwa die Speicherung von Regenwasser in Wasserspeicherbecken. Zisternen und Regentanks, Rückhaltebecken und Drainagesysteme sind zur Überwachung und Optimierung des Wasserverbrauchs mit digitalen Bewässerungssteuerungen gekoppelt. Die Speichersysteme sind zunehmend in landwirtschaftliche Wasserkreisläufe und Managementsysteme integriert und verbunden mit natürlichen Wasserspeichern wie Feuchtgebieten und Agroforstsystemen sowie mit Anlagen zur Wiederverwendung von Brauchwasser. Effiziente Bewässerungssysteme gehen einher mit einer wassersparenden Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen.
In langfristiger Perspektive (bis 2050) hat die Landwirtschaft in Deutschland innovative Bewässerungssysteme weitgehend in ihre Anbauprozesse integriert, die hochgradig effizient, ressourcenschonend und an den Klimawandel angepasst sind. Diese Systeme kombinieren künstliche Intelligenz, Sensorik und satellitengestützte Datenanalysen, um den Wasserverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig maximale Ernteerträge zu sichern. Vernetzte Bewässerungssysteme, gestützt auf eine gute Datenübertragung und flächendeckende Netzabdeckung im ländlichen Raum, sind integraler Bestandteil einer weitgehend digitalisierten Landwirtschaft, die sich vom „Precision Farming“ und „Smart Farming“ zu einem ganzheitlichen „Digital Farming“ weiterentwickelt hat. Es existiert eine ganze Bandbreite digitaler Anwendungen in unterschiedlichen Prozessschritten der landwirtschaftlichen Bewässerung. Es werden kontaktlose Verfahren zur Abschätzung des individuellen Bewässerungsbedarfs eingesetzt, wie etwa die Messung der Blatttemperatur einzelner Pflanzen per Infrarotsensoren oder die Beobachtung der Bodenfeuchtigkeit mithilfe von Satelliten. Um die automatisierte Bewirtschaftung effizient umzusetzen, gehört zudem der Einsatz von Drohnen und Feldrobotern zum Standard von Landwirtschaftsbetrieben in Deutschland. Beim kontinuierlichen Monitoring helfen digitale Zwillinge der Felder unter Einbezug von Daten der Drohnen und Robotern, welche mit Klimamodellen und anderen Daten kombiniert und durch eine KI-Anwendung ausgewertet werden, um so die die Bewässerung und Nährstoffanreicherung in Echtzeit dem Bedarf anzupassen. Die KI-gestützten Systeme sind ebenfalls in der Lage, Vorhersagemodelle zu erstellen, die auf langjährigen Wetter- und Anbaudaten basieren. Dadurch können Landwirt/innen frühzeitig auf drohende Dürren oder Starkregenereignisse reagieren und ihre Anbaupraktiken entsprechend anpassen. Auch regenerative Bewässerungstechniken, wie die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Wasser in geschlossenen Kreisläufen, sind standardisiert und tragen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen bei. Zudem unterstützen KI-Anwendungen die Integration erneuerbarer Energien, indem sie Bewässerungsanlagen, Drohnen und Feldroboter intelligent mit Solar- oder Windenergie kombinieren, um energieeffizient zu arbeiten.
Neue Vulnerabilitäten
Der großflächige Einsatz innovativer Bewässerungssysteme schafft neue Vulnerabilitäten vor allem bezüglich Cyberkriminalität und Datensicherheit sowie im Bereich der Lebensmittelsicherheit. Das landwirtschaftliche Wassermanagement ist im Zuge des Einsatzes innovativer Bewässerungssysteme durch einen sehr hohen Grad der Digitalisierung und Vernetzung, aber auch den Einsatz von KI gekennzeichnet. Dadurch ist es verstärkt den Risiken und Gefahren der Cyberkriminalität ausgesetzt. Datenplattformen und Cloudsysteme unterstützen die Vernetzung und Interoperabilität und leisten einen wichtigen Beitrag zur Prozesseffizienz. Erfolgt eine unkontrollierte Weitergabe von Daten der landwirtschaftlichen Betriebe, besteht das Risiko der Ausbildung von Datenmonopolen. Starke Technologieanbieter, proprietäre Systeme und Plattformen definieren Abhängigkeiten und reduzieren Redundanzen und die Diversität in landwirtschaftlichen Betriebssystemen. Die Klärung der Datenhoheit und die Definition von Standards zur Datensicherheit sind Schlüsselkomponenten zur Sicherung der Handlungs- und Produktionsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe.
Ein aussichtsreicher Entwicklungspfad zur effizienten Bereitstellung von Wasser für landwirtschaftliche Flächen und zur Unterstützung der Ernährungs- und Ertragssicherheit ist zudem die Bewässerung mit aufbereitetem Wasser. Der Einsatz von aufbereitetem Abwasser in der Landwirtschaft ist aber nicht unproblematisch, vor allem im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit. Ob unterirdische und oberirdische Tropfbewässerung, wasserführende Gräben und Drainagesysteme, stationäre oder mobile Beregnungssysteme oder hydroponische Bewässerungssysteme – sie alle können Krankheitserreger in landwirtschaftliche Erzeugnisse transportieren. Die Einhaltung und Entwicklung strenger Richtlinien sowie ein kontinuierliches Monitoring der Wasserqualität sind somit eine Voraussetzung für die Nutzung von aufbereitetem Abwasser.
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2025): Resilienz-Dossier Wassermanagement in der Landwirtschaft (Autor/innen: Behrendt, S.; Bledow, N.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kollosche, I.; Uhl, A.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de/wassermanagement-in-der-landwirtschaft