Handlungsfelder: Geschlossene Produktionssysteme
Um das Potenzial geschlossener Produktionssysteme für ein resilientes landwirtschaftliche Wassermanagement umfassend zu erschließen, sind sowohl technologische Weiterentwicklungen als auch systemische Anpassungen erforderlich.
Technologisch stehen insbesondere die Steigerung der Energieeffizienz, die Reduktion der Betriebskosten sowie die Skalierung der Anlagen im Fokus. Systemisch bedarf es einer Integration geschlossener Produktionssysteme in nachhaltige Agrarstrukturen, etwa durch die konsequente Optimierung von Stoffkreisläufen und insbesondere die Einbettung in regionale Wertschöpfungsnetzwerke. Darüber hinaus ist es notwendig, diese Systeme aus der Nische heraus in die breite Anwendung zu überführen, um Skaleneffekte und Lernpotenziale zu realisieren. Dies bedarf wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Unterstützung und flankierender Maßnahmen, die sowohl die Entwicklung und Anwendung zentraler Technologien fördern als auch die Akzeptanz und wirtschaftliche Tragfähigkeit geschlossener Produktionssysteme stärken. Durch gezielte Forschungsprogramme zu geschlossenen Produktionssystemen könnte deren Weiterentwicklung wirksam unterstützt werden. Zentrale Forschungsaufgaben bestehen unter anderem darin, Energie- und Stoffkreisläufe zu schließen sowie prozessbedingte Umweltwirkungen im Sinne einer positiven Ökobilanz zu gestalten. Im Bereich des Vertical Farming stehen dabei insbesondere die Entwicklung energieeffizienter Technologien, der Einsatz geeigneter Materialien und sowie die Automatisierung von Prozessen im Fokus. Diese Bereiche müssen weiter erforscht, optimiert und in der Praxis erprobt werden. Auch die Züchtung von Pflanzenarten, die speziell an die Bedingungen in Vertical-Farming-Systemen angepasst sind, stellt ein wichtiges Forschungsfeld dar. Ziel ist es, die Effizienz geschlossener Produktionssysteme zu steigern und den wirtschaftlich rentablen Anbau einer größeren Vielfalt von Kulturen zu ermöglichen. In der zellulären Landwirtschaft ergeben sich Forschungsfragen vor allem bezüglich geeigneter und nachhaltiger Nährmedien, der Skalierbarkeit der Produktionsprozesse sowie deren Energieeffizienz. Darüber hinaus könnte Forschungsförderung in Form von Experimentierfeldern oder Modellregionen mit Begleitforschung erfolgen, um die technische und wirtschaftliche Machbarkeit im größeren Maßstab zu demonstrieren. Regionale Förderprogramme für Projekte zu geschlossenen Produktionssystemen können einen wichtigen Beitrag zum Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten leisten. Sie können die Sichtbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen und schaffen praxisnahe Referenzmodelle, die als Anschauungsbeispiele und Lernräume für andere Regionen dienen können.
Auch die Förderung der Entwicklung und Erprobung geeigneter Geschäftsmodelle für Vertical Farming und zelluläre Landwirtschaft kann entscheidend zur Marktentwicklung beitragen. Für unterschiedliche Anwendungsbereiche müssen passende Modelle identifiziert und etabliert sowie mit Wertschöpfungsketten zusammengebracht werden, damit Innovationsökosysteme entstehen können. Initiativen zur Förderung lokaler Zulieferstrukturen und zum Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten können die Verfügbarkeit, Qualität und Kosteneffizienz von Komponenten, Betriebsmitteln und begleitenden Dienstleistungen (z.B. zur Vermarktung) maßgeblich verbessern.
Experimentierfelder und Reallabore bieten die Möglichkeit, Technologien und Geschäftsmodelle für geschlossene Systeme unter praxisnahen Bedingungen zu erproben. Sie schaffen die Grundlage, Risiken frühzeitig zu identifizieren, technische Lösungen anzupassen und Geschäftsmodelle auf ihre Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen allerdings ausreichend flexibel gestaltet sein. Insbesondere Experimentierklauseln sind notwendig, um Innovationen in Reallaboren rechtssicher zu testen und so den Transfer in die breite Anwendung zu beschleunigen [1]. Unklare oder uneinheitliche rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Zulassung, Kennzeichnung und Vermarktung von Lebensmitteln, die mittels Präzisionsfermentation hergestellt werden, stellen derzeit ein erhebliches Innovationshemmnis dar. Beispielsweise fehlt es an klaren Regelungen zur Einstufung solcher Produkte im Lebensmittelrecht (z. B. als neuartige Lebensmittel gemäß Novel-Food-Verordnung der EU), was zu Rechtsunsicherheit für Unternehmen führt. Reallabore können hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie im geschützten Rahmen regulatorische Unsicherheiten identifizieren, praxisnah erproben und wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für eine zukunftsfähige Regulierung ableiten. Beratungsleistungen zu Zulassungsfragen und deren Förderung können die Entwicklung innovativer Produkte sowie Gründungen unterstützen.
Soll die Wiederverwendung von Abwasser auch in Vertical-Farming-Systemen unterstützt werden, braucht es eine entsprechend ausgestaltete Anpassung der in Deutschland geltenden EU-Verordnung zur Wasserwiederverwendung im Wasserhaushaltsgesetz. Hier müsste einerseits ein ausreichender Konsument/innen-Schutz und andererseits die Zulassung in hydroponischen Systemen ermöglicht werden, damit eine Wasserwiederverwendung in Vertical-Farming-Systemen erfolgen kann (siehe auch oben, strategisches Themenfeld „innovative Bewässerungssysteme“). Für die Stärkung der Information von Verbraucher/innen sowie die Unterstützung der Marktentwicklung wäre auch die Option geeigneter Zertifizierungen und Labels für Produkte aus geschlossenen Produktionssystemen zu prüfen. Aktuelle Bio-Labels decken den Anbau in Substraten und Nährstofflösungen ohne Erde nicht ab, sodass Produkte aus dem Vertical Farming in Deutschland bzw. der EU meist keine Bio-Zertifizierung erhalten können. Die Einführung neuer Zertifizierungen oder eine Anpassung von Labels wäre notwendig. Für den Bereich Vertical Farming wäre denkbar, die Aspekte der Nachhaltigkeit (Wassereinsparung, Pestizidfreiheit etc.) und innovative Produktionsmethoden zu zertifizieren.
Die Akzeptanz geschlossener Produktionssysteme lässt sich voraussichtlich fördern, indem Verbraucher/innen und Stakeholder gezielt über die Potenziale in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit informiert werden. Eine realistische Wiedergabe des aktuellen Wissens, insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsaspekte, ist hierbei wichtig. Informationskampagnen sowie ein breiter gesellschaftspolitischer Diskurs können helfen, den Kenntnisstand für diese neuen Produktionsformen bei Verbraucher/innen und Unternehmen zu stärken. Für Produkte aus der Präzisionsfermentation sind weitere Studien zur Verträglichkeit und potenziellen Risiken erforderlich [2]. Besonders im Hinblick auf den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der Präzisionsfermentation sollten sowohl die tatsächlichen als auch die von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Risiken genauer untersucht werden. Dies ist wichtig, um fundierte Informationen bereitzustellen und eine verständliche, transparente Kommunikation gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ermöglichen.
Die Einbindung landwirtschaftlicher Akteure in die Entwicklung und den Aufbau dieser Systeme sowie Investitionsanreize, beispielsweise für vertikale Farmen, können die Akzeptanz erhöhen und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen, neue Erlösquellen, Marktsegmente und Geschäftsmodelle zu erschließen. Ebenso wichtig ist die Einbeziehung neuer Akteure, die aus anderen Branchen als der Landwirtschaft stammen, um ein breiteres Innovationspotenzial auszuschöpfen. Akteure können vor allem aus den Bereichen Biotechnologie, Energie, Gebäudetechnik, Digitalisierung, Logistik, Wasser- und Umwelttechnik kommen – ihre Expertise und Ressourcen können helfen, solche Systeme großflächig, wirtschaftlich tragfähig und nachhaltig zu etablieren.
- Wissenschaftsrat (2024): Perspektiven der Agrar-, Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Köln, 10.57674/txjy-7n56
- Boukid, F. et al. (2023): Fermentation for Designing Innovative Plant-Based Meat and Dairy Alternatives. In: Foods (Basel, Switzerland) 12(5), 1005, DOI: 10.3390/foods12051005
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (2025): Resilienz-Dossier Wassermanagement in der Landwirtschaft (Autor/innen: Behrendt, S.; Bledow, N.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kollosche, I.; Uhl, A.). Berlin. https://foresight.tab-beim-bundestag.de/wassermanagement-in-der-landwirtschaft
- Wissenschaftsrat (2024): Perspektiven der Agrar-, Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Köln, 10.57674/txjy-7n56
- Boukid, F. et al. (2023): Fermentation for Designing Innovative Plant-Based Meat and Dairy Alternatives. In: Foods (Basel, Switzerland) 12(5), 1005, DOI: 10.3390/foods12051005